Elbenzorn. Roman.
Susanne Gerdom, Piper 2007


Skandinavische Elben mit französischen Eigenarten

Auch Elben sind nicht nur Lichtgestalten, frohgemute Feingeister, die sich vor allem den schönen Seiten des Lebens widmen, Blumen flechten, Lieder singen, Nektar trinken und all das - jedenfalls, wenn es nach Susanne Gerdom geht. Die dunkle Seite der Spitzohren hat ganz handfeste Qualitäten, denn die Dunklen, die Schweigsamen, die schwarzhäutigen Elben existieren. Nach einem historischen Zerwürfnis leben sie in der Verbannung. Bis sich Ratauura, die dunkle Schwester von Ividiis, auf die Suche nach Ihresgleichen macht - zu einer Zeit, als der elbische Sommerpalast im Wandernden Hain zum Gegenstand einer massiven Intrige wird, die nicht wenig mit dieser Suche zu tun hat. Ein Krieg droht, natürlich gegen die unliebsamen Zwerge, aber es steckt sehr viel mehr dahinter.

Susanne Gerdoms detailreicher, in der Hauptsache wirklich lesenswerter Roman dürfte den einen oder anderen Tolkien-Fan ziemlich verblüffen. Da regieren Zwergenkönige in oberirdischen (!) Burgen, da takeln sich höfische Elben mit gewaltigen Unterröcken und reichlich Puder auf, da klingt jeder Name, als stammten Elben, Zwerge und sonstige Bewohner (welcher Welt auch immer) eher aus Oslo als aus Mittelerde. Zwerge und Elben tragen interessanterweise Nachnamen, und manch ein Ort oder Viech könnte auch der Star-Wars-Saga entsprungen sein, die echsenartigen Skralls zum Beispiel, mit denen Ratauura und ihre Freunde durch das Sandige Meer reisen.

Aber die Verortung nach Mittelerde hat der Verlag vorgenommen, nicht die Autorin. Die bemüht sich in erster Linie, eine atmosphärisch dichte, originelle und spannende Geschichte zu erzählen, in der es um Liebe, Hass, Rassismus und Machtgehabe geht. Das gelingt ihr über weite Strecken recht vortrefflich, auch wenn der Roman einige Längen hat und manch eine Szene in der Detailflut unterzugehen droht. Und eine eigentlich liebenswerte Eigenart hat Susanne Gerdom auch beim fünften Roman noch nicht abgelegt, nämlich diejenige, zu jedem Substantiv mindestens zwei ergänzende Adjektive zu finden. Immerhin sehr treffende. "Elbenzorn" lebt aber zuvorderst von der liebevollen und sehr eindringlichen Figurenzeichnung, die das - reichliche und manchmal schwer unterscheidbare, ganz selten etwas stereotype - Personal in einer Plastizität vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen lässt, die man anderswo suchen muss.

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