Eclipse 1: Sonnenfinsternis.
Roman.
John Shirley, Argument 2001



Zukunft: Es herrscht Krieg auf der Welt, der Dritte Weltkrieg, Russen gegen NATO und Amerikaner; das Buch ist Anfang der Achtziger geschrieben worden, man mag sich vorstellen, daß der Warschauer Pakt eine Wiederauferstehung erlebt hat, das
jedoch ist unerheblich. Ganz Mitteleuropa ist verwüstet, die Front schiebt sich in Richtung Westen, Amsterdam und Paris strahlen im teuflischen Glanz strategischer Atombomben. Aber auch das ist unerheblich. Die eigentliche Gefahr geht von der "Zweiten Allianz" aus, jener privaten, enorm einflußreichen Schutztruppe, die gemäß einer Vereinbarung nach und nach die Kontrolle übernimmt, hauptsächlich in jenen Ländern, in denen nach dem Waffengang Anarchie einzukehren droht, aber auch in Amerika, nicht zuletzt in der orbitalen Raumstation "FirStep".

Was sich wie ein herkömmlicher Science-Fiction-Plot liest, ist tatsächlich ein Roman, der sich mit historischen Alternativen befaßt. Daß jene Geschehnisse in der Zukunft liegen, ist ein dramaturgisches Mittel, um die Fiktion über das Wiederaufblühen rassistischer, faschistischer Ideologien zu transportieren; Shirleys "Zweite Allianz" verfolgt konsequent und unter Vermeidung historischer "Fehler" die Übernahme der Weltherrschaft mit neuen Mitteln: Infiltration, wirtschaftlicher Erfolg, Vorspiegelung falscher Tatsachen, Terrorismus, High-Tech, Werbung, Manipulation. Angesichts der Weltsituation, insbesondere aber aufgrund des ausgeklügelten technischen Vorgehens der ZA hält sich der Widerstand in Grenzen. Doch es gibt ihn.
"Sonnenfinsternis" erzählt von einer amorphen, scheinbar willkürlich zusammengesetzten Gruppe, dem "Neuen Widerstand", die sich mit Guerillamethoden, aber auch durch Re-Infiltration, im Straßenkrieg gegen die neuen Nazis zur Wehr setzt. Ihre Protagonisten sind Retro-Rocker ("Rickenharp", eine genüßlich-nostalgische Figur), Ärzte, Junkies, Werbefachleute, Wissenschaftler.

Die Idee vom idealen Menschen kann man auf die eine oder andere Art verfolgen, oder man kann vernünftigerweise von ihr ablassen. Letztlich liegt sie vielen Theorien und Ideologien zugrunde, und die zähnefletschendste, absoluteste konzentriert sich im Faschismus. Shirleys Roman gibt den Faschisten Mittel, Strategien, Situationen an die Hand, die es ihnen ermöglichen, im Hintertür-Handstreich so mächtig zu werden, daß nicht mehr nur von einer Bedrohung zu sprechen ist - ohne die Konsequenzen anzudeuten, jedenfalls in diesem ersten Teil der Trilogie. Leider erzählt Shirley nicht immer gut und nicht immer konsequent, aber beharrlich, düster, insgesamt recht zwingend. Dabei werden klassische Science-Fiction-Elemente, die des historischen, des Gegenwarts- und des Kriminalromans verarbeitet, sehr szenisch und nur manchmal deutlich zu narrativ. Interessant, spannend, beklemmend - allerdings kein literarisches Glanzlicht. An einigen Stellen stolpert der Autor über die logischen Konsequenzen seiner erdachten Technologie


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