Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte. Roman.
Heinrich Steinfest, Piper


Der Mann ...

Der Österreicher Szirba ist Architekt in Stuttgart, aber eigentlich malt er nur Linien. Seine Frau ist eine erfolgreiche Fernsehmoderatorin, die die eigene Ehe verleugnet, auch in der Zweisamkeit. Zum Ausgleich für all das Ungemach pflegt Szirba einen Tick: Er ist quasi ein Negativ-Dieb, denn er wandert durch Läden und fügt Dinge hinzu. Meistens auf ironische Weise, wenn er etwa einen Maßanzug zwischen Konfektionsware hängt.

Aber er scheint nicht der einzige mit diesem Tick zu sein. Mehrfach beobachtet er einen älteren Herren, der einer ähnlichen Tätigkeit nachzugehen scheint und Bücher "hinzufügt". In einer Bahnhofsbuchhandlung bemerkt Szirba, wie ein Halbwüchsiger auf diesen Herren zu schießen versucht, und wirft sich beherzt in die Flugbahn der Kugel. Das Geschoss verletzt seine Hand, Szirba rettet den vermeintlich Seelenverwandten, und dass durch die Ablenkung des Projektils ein anderer stirbt, ist eigentlich nur eine Randnotiz wert. Der verletzte Hinzufüger wacht im Krankenhaus auf, und hier beginnt das eigentliche Abenteuer. Denn man ist nun hinter Szirbas Leben her. Die nachfolgende Odysee führt in die Psychiatrie, Hurenwohnungen, unentdeckte Kellergeschosse der Haftanstalt Stammheim und noble Stuttgarter Vorortvillen.

Und dann ist da noch Jooß, der siebenundfünfzig Jahre alte, eher gemütliche Killer, der in Südafrika lebt, niemals zweimal in derselben Stadt tätig wird und als Tarnung Bibeln verkauft. Im zweiten Teil wechselt das Buch in seine Perspektive, denn der aktuelle Auftrag des Berufstöters ist eng mit Szirbas Heldentum verbunden.

Eigentlich ist nicht so schrecklich wichtig, warum all das passiert, was in diesem Buch passiert. Ja, es hat eine Auflösung, führt alle verschlungenen Pfade zu einem Ziel, aber wie immer bei Steinfest steht weniger das Geschehen im Vordergrund, als vielmehr die Art, wie Steinfest erzählt. Ironisch, sprachverliebt, genau beobachtend, gerne wertend, irgendwie nostalgisch-rasant - und insgesamt äußerst eigenartig. Steinfest muss man mit Wolf Haas vergleichen, wenn ihm auch Haas' Schnoddrigkeit fehlt, die er durch Klugheit ersetzt. Und die Fähigkeit, den Provinzmief anschaulich darzustellen, ihn dabei gleichzeitig abstoßend und behaglich erscheinen zu lassen.

Nicht der größte Wurf des Kriminalromanautors, der meiner Meinung nach ein großer Romancier ist, der eher nebenbei auch von Kriminalfällen erzählt. Aber ein guter, unterhaltsamer, durchaus spannender Roman, der einen gewissen Siebziger-Jahre-Flair verströmt. Und übrigens taucht Steinfests berühmteste Figur, der einarmige Ermittler Cheng, in einer kleinen Szene auf.

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