Die Demütigung. Roman.
Philip Roth, Hanser 2010


Die Demütigung

Nomen est Omen

Simon Axler ist fünfundsechzig und Bühnenschauspieler mit Leib und Seele, aber plötzlich verschwindet sein Talent, die Fähigkeit, sich in Rollen hineinzuversetzen und zuzuhören, in die anderen Figuren zu lauschen, mit ihnen zu interagieren. Nach einigen desaströsen Auftritten wirft er schließlich das Handtuch und zieht sich auf sein Landgut zurück, in die Einsamkeit, denn die Ehefrau verlässt ihn just in diesem Moment. Axler hadert mit Selbstmordgedanken und liefert sich selbst in eine psychiatrische Klinik ein, wo er eine junge Frau trifft, die ihren Ehemann dabei beobachtet hat, wie er sich an der achtjährigen gemeinsamen Tochter verging. Nach der Entlassung taucht plötzlich die fünfundzwanzig Jahre jüngere Pegeen Mike auf, die Tochter eines befreundeten Schauspielerpaars, und beginnt mit dem alten Mann, der auch noch unter Rückenschmerzen leidet, eine Affäre. Deren Ausgang ist allerdings gewiss, obwohl Axler das nicht wahrhaben will, und erschwerend kommt hinzu, dass die vierzigjährige Freundin eigentlich lesbisch ist. Wenn man den Plot so - den Tatsachen entsprechend - zusammenfasst, erkennt man leicht, was hier grundsätzlich schiefläuft.

Zwischen essayistischen Abschweifungen zu den Themen Altern und Selbstmord, recht obskuren Männerphantasien und für knapp 130 Seiten bemerkenswert viel Leerlauf erzählt der Altmeister Roth exakt: Nichts. Die schließlich doch noch stattfindende Selbsttötung Axlers wirkt so beliebig wie etwa die Nebenhandlung um die junge suizidale Frau und ihr missbrauchtes Kind. Motivation, Intention, Prämisse - all das sucht man vergeblich, und übrigens auch die titelgebende Demütigung, die hier bestenfalls im Hinblick auf Autor und Werk zu diagnostizieren wäre. Eine zwar routiniert, aber nachlässig konzipierte und erzählte, inhaltsarme Novelle, die thematisch unentschlossen wirkt, manchmal an Roth' "Jedermann" erinnert, aber auch als eine Reprise zu "Der menschliche Makel" verstanden werden könnte, was aber alles keine Rolle spielt, denn dieses Bändchen löst am Ende bestenfalls Fremdschämen aus. Es ist mir unverständlich, warum einer der besten amerikanischen Romanciers im Alter damit anfängt, jeden Unsinn veröffentlichen zu lassen. Möglich auch, dass Simon Axler hier als Alter Ego Nathan Zuckerman nachfolgt - und Roth hat schlicht festgestellt, dass es für ihn nichts mehr zu erzählen gibt.

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