Das war ich nicht. Roman.
Kristof Magnusson, Kunstmann 2010

Das war ich nicht

Großartig

Es beginnt wie einer dieser Thirtysomethings-Romane, wie ein Buch über das Älterwerden, das Kinderkriegen und die vermeintlich wichtigen Dinge im Leben: Die Literaturübersetzerin Meike entscheidet sich spontan gegen all das, verlässt ihren Freund und zieht in ein Häuschen aufs Land, "hinterm Deich", das sie sich allerdings nur leisten kann, weil bald der Vorschuss für das nächste Buch, den "Jahrhundertroman" des großen amerikanischen Erzählers Henry LaMarck, den sie sehr verehrt und in ihren Übersetzungen auch in Deutschland zu einem Bestseller gemacht hat, eintreffen wird - auf das Manuskript wartet allerdings nicht nur sie händeringend. Von Vorteil ist auch, dass die Hypothek für das hübsch-hässliche Häuschen über "HomeStar" läuft, eine Kreditbank, die auch weniger solventen Kunden gerne Geld gibt.

Jener Erfolgsautor, just zum zweiten Mal für den Pulitzer-Preis nominiert, wird soeben sechzig, weshalb auch im Verlag nicht, wie angekündigt war, ein Gespräch über die Taschenbuchausgabe seines vorletzten Romans stattfindet, sondern eine Überraschungsparty zu Ehren des Schriftstellers, der noch keine einzige Zeile seines langerwarteten Jahrhundertbuches geschrieben hat. LaMarck flieht von der Party, mietet sich in ein Hotel ein und schottet sich von der Welt ab, von der er glaubt, sie wäre ab diesem Moment detektivisch auf der Suche nach ihm.

Und dann ist da noch der junge Jasper, aus Bochum stammend, der es in der Chicagoer Investmentbank vom "Back-Office" in den Handelssaal geschafft hat, der also endlich "Trader" ist. Nachdem er irrtümlich geglaubt hatte, entlassen zu werden, wittert Jasper Morgenluft, weil es jenen Kollegen erwischt, auf dessen Posten der junge Deutsche scharf ist. Da er - aus seiner Tätigkeit im überwachenden "Back Office" - die gesamten technischen Strukturen gut kennt, hilft er einem anderen Trader, dessen unzulässige Transaktionen zu vertuschen, macht dabei aber versehentlich so viel Gewinn, dass nun wiederum er selbst in die Schusslinie geraten würde. Jasper fängt damit an, auf dem Konto des gefeuerten Kollegen Optionsgeschäfte mit Papieren der Kreditbank "HomeStar" abzuschließen, aber statt eines überschaubaren Verlusts explodieren die roten Zahlen plötzlich, und Jasper gerät in einen Teufelskreis, aus dem es nur einen Ausweg gäbe, würden die "HomeStar"-Kurse dramatisch fallen. Als sie das schließlich tun, geschieht das, kurz nachdem Jasper auf Gewinn gewettet hat, und alles wird immer schlimmer und schlimmer.

In Chicago treffen sich die drei. Der Erfolgsautor will den jungen Banker, dessen Foto er zufällig in der Zeitung gesehen hat, zum Helden seines Romans machen, aber eigentlich nicht nur das. Meike ist nach Chicago gekommen, um den vermeintlich verschollenen Schriftsteller zu suchen, trifft dort aber zunächst Jasper, der sich in sie verliebt. Aus den drei Geschichten wird eine, und zwar eine fantastisch spannende, extrem amüsante, wirklich vortrefflich erzählte.

Vor dem Hintergrund der längst nicht überstandenen Weltwirtschaftskrise, die zu einem Gutteil dadurch ausgelöst wurde, dass Leute in den Handelssälen der Banken Luftgeschäfte von grandiosem Ausmaß tätigen, erzählt Magnusson wechselnd aus den Perspektiven der drei Protagonisten eine fulminante Geschichte über Literatur, Wirtschaft, Liebe und geborgte Träume. Da passt jeder Satz, da ist fast nichts überflüssig, da stimmt jedes Detail. Ein beneidenswert gutes, gutlauniges, amüsantes und faszinierendes Buch, exzellent recherchiert, minutiös geplottet, toll erzählt. Großartig!

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