Die rote Couch.
Roman
Irvin D. Yalom, btb 1998

 

Ernest Larch, wenig ansehnlicher, ambitionierter junger Psychiater in San Francisco, steht Jahre später noch unter dem Eindruck einer Befragung, die er im Rahmen eines Verfahrens gegen einen alten, angesehenen Psychoanalytiker durchführen mußte.
Der Siebzigjährige hatte eine sexuelle Beziehung mit einer Patientin angefangen, und darauf beharrt, daß diese Beziehung hilfreich für die Patientin gewesen sei. Seine Approbation wurde entzogen. Die Verhaltensregeln für das Verhältnis zwischen Analytiker und Patient sind fest umrissen, genaugenommen unverändert seit Freud, und der Raum für Experimente ist eng - ob zum Vorteil für Patient und Therapie, das ist die große Frage des Romans.

Larch bringt den geknechteten Justin dazu, seine Ehe zu beenden. Carol, dessen Ehefrau, ein herrschsüchtiges, karrieregeiles Weib, sinnt auf Rache. Sie mogelt sich als Patientin in Larchs Praxis und versucht mit allen Mitteln, den Psychiater zu verführen. Larch hat zufälligerweise am Tag vorher beschlossen, ein Experiment zu wagen, totale Offenheit zwischen Arzt und Patient, und schlingert durch die Sitzungen, während die attraktive Carol alles auffährt, um den verschwitzten, etwas dicken Larch,
der seinerseits wenig Glück bei den Frauen hat, auf die schiefe Bahn zu bringen. Masturbationsphantasien, in denen Larch - angeblich - eine Rolle spielt, aber auch ganz offene Annäherungsversuche treiben den Analytiker beinahe zur Verzweiflung.

Parallel versucht Larchs Supervisor, der extrem ehrgeizige, der klassischen Analyse anhängende Marshall, ein ehemaliger Footballspieler, seine politische Position im örtlichen Institut und in der USA-weiten "APA" zu verbessern, drängt Larch pausenlos dahin, seine Methoden besser zu organisieren, und wird in mehrerlei Hinsicht Opfer seines übersteigerten Ehrgeizes. Ein scheinbar superreicher Patient zockt den Psychiater ab, sogar doppelt, während die orginellen, aber wenig durchdachten Aufstiegspläne Marshalls immer wieder in Katastrophen enden.

"Die rote Couch" kommt sehr gemächlich aus den Startlöchern und bemüht sich über die ersten zweihundert Seiten etwas zu akribisch, die Figuren und deren fachliche Hintergründe aufzubauen. Um die Verwerflichkeit eines - wie auch immer gearteten - privaten Verhältnisses zwischen Arzt und Patient zu untermauern, wird gar zwei Mal eine ähnliche Situation bemüht; Yalom traut seinen Lesern weniger zu, als angemessen wäre. Gleichzeitig zeichnen die detailreich wiedergegebenen Sitzungen ein vergleichsweise undramatisches Bild der Aufgabe eines Analytikers, ein Gedanke übrigens, den die geläuterte Carol zum Ende des Buches konsequent fortführt, indem sie ihrerseits zur - erfolgreichen - Amateuranalytikerin wird, und dem schwer angeschlagenen Marshall hilft. Zwischendrin gibt es der Zufälle ein halbes Dutzend zu viel. Spannend ist das Buch erst im letzten Drittel, insgesamt macht es den Eindruck, als hätte Yalom mittendrin seine Pläne umgestoßen und einen ganz anderen Roman geschrieben.

Weniger nahe und beeindruckend, als "Und Nietzsche weinte", weniger witzig, als die Bücher von Samuel Shem zum gleichen Thema, interessant zwar für jeden, der sich auf belletristische Weise der Psychoanalyse nähern möchte, aber ansonsten etwas
zäh und deutlich zu lang.

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