Der Club der unsichtbaren Gelehrten. Roman.
Terry Pratchett, Goldmann, Oktober 2010


Der Club der unsichtbaren Gelehrten

Enttäuschend

Nach Bernhard Kempen ("Schöne Scheine") hat Goldmann für "Der Club der unsichtbaren Gelehrten" mit Gerald Jung (der u.a. für die Übersetzung der "Bartimäus"-Romane von Jonathan Stroud verantwortlich zeichnet) wieder einen neuen Übersetzer als Brandhorst-Nachfolger akquiriert. Damit ist auch schon eine der vielen Schwächen des aktuellen Scheibenwelt-Romans genannt, denn die Übersetzung ist nachlässig (es gibt u.a. viele, viele Wortwiederholungen), unlustig, fast schon hölzern, und fühlt sich an vielen Stellen vollkommen verkehrt an. Die deutsche Fassung von "Unseen Academicals" liest sich sehr britisch, ohne noch den britischen Humor zu transportieren: Viele Namen, für die Brandhorst schöne Analogien gefunden hätte, sind unverändert geblieben, weshalb sich beispielsweise der Witz verliert, wenn es um den Goblin Nutt (eine Hauptfigur) oder das tumbe Mädchen Juliet geht - beziehungsweise um Wortspiele mit diesen Namen (der Leser rätselt eine Weile, bis er begreift, dass er die Verniedlichung "Jools" englisch - wie "Jewels" - aussprechen muss).

Aber damit beginnt die Aufzählung der Schwächen erst. Pratchett legt mit diesem Buch den eindeutig schlechtesten Scheibenwelt-Roman des aktuellen Jahrzehnts vor.

Die Zauberer der Unsichtbaren Universität entdecken, dass sie alle zwanzig Jahre an einem Fußballspiel teilnehmen müssen, um weiter Gelder aus einem Erbe zu beziehen, das an diese Bedingung geknüpft ist, und da diese Zuwendungen vor allem für die reichhaltige Küche bedeutsam sind, gibt es keinen Ausweg. Die Zauberer beschäftigen sich mit der Volkssportart, die in Ankh Morpork auf recht gewaltsame und wenig organisierte Weise betrieben wird, da sie offiziell auch verboten ist. Aber Lord Vetinari hat offenbar Pläne, "Tritt-den-Ball" zu legalisieren, und da kommt ihm die alte Verpflichtung der Zauberer gerade recht.

In der Tropferhöhle der UU arbeitet seit kurzer Zeit ein Goblin - eine Art Kobold - mit dem Namen Nutt, der aus Düsterwald kommt und ein Protegé der dortigen Herrscherin zu sein scheint. Nutt ist grau, dürr und in Lumpen gekleidet, aber übermenschlich kräftig und extrem belesen. Er wird zum Trainer der Zauberer-Fußballmannschaft. Und in der Nachtküche der UU arbeitet ein überirdisch schönes, aber sehr tumbes Mädchen namens Juliet, das eher zufällig zum Topmodel für die neue Zwergenmode "MikroKette" wird - und damit einen Inter-Spezies-Konflikt auslöst.

Es gibt viele Verstrickungen, sich überschlagende und überschneidende Handlungsstränge, etwas Politik und ganz, ganz viel Fußball. Insofern ist "Unseen Academicals" der vermutlich britischste Scheibenweltroman, denn er versucht, die Fußballverrücktheit der Briten zu thematisieren, in etwa so, wie das Nick Hornby mit seinem Erstling "Fever Pitch" getan hat. Das aber scheitert auf der ganzen Linie. Der Roman ist ein völliges Chaos, ein heilloses Durcheinander mit sehr aufgesetzter Sozialkritik, vor allem aber an keiner einzigen Stelle wirklich witzig. Die berühmten Fußnoten wirken gequält und an den Haaren herbeigezogen, vieles davon kommt dem geneigten Scheibenwelt-Fan - und ich bin einer - bekannt und wie ein sehr lahmes Selbstplagiat vor. Die Story überschlägt sich, ohne je eine Richtung einzuhalten, aber vor allem sprachlich und erzählerisch fehlt "Der Club der unsichtbaren Gelehrten" jene Leichtigkeit und Ironie, für die die Serie steht. Und die Satire auf das Phänomen "Fußball" verpufft völlig.

Es wäre unfair, all das auf die Übersetzung zu schieben, denn diese Lustlosigkeit kann nicht nur hier ihre Ursache haben. Jedenfalls schade, wenn man so lange auf einen neuen Scheibenwelt-Roman warten musste und dann solch einen Murks im Briefkasten findet.

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