Blutsbruder. Roman.
Michael Marshall, Droemer 2008
Der dritte, aber - wie zu fürchten steht - längst nicht abschließende Band der "Straw Men"-Reihe des ehemaligen SF-Autors Michael Marshall Smith führt die bekannten Protagonisten aus "Der zweite Schöpfer" und "Engel des Todes" in ein Nest namens Thornton, in dem kurz nacheinander zwei bestialisch zugerichtete Leichen gefunden werden. Während Nina und Ward vor Ort nach dem Täter suchen, ist der mysteriöse Ex-Agent John Zandt in Sachen Selbstjustiz unterwegs. Parallel erzählt "Blutsbruder" von einem jungen Drogendealer namens Lee, der in mehreren Schießereien alle Freunde verliert und alsbald vom vermeintlichen "Straw Men"-Oberhaupt und Ward-Zwilling Paul für seine Zwecke rekrutiert wird.
Thriller sollten sich durch Spannung auszeichnen, oder wenigstens durch vertrackte Rätsel, aber Marshall weiß außer einer diffusen Verschwörungstheorie und - durchaus bemerkenswerten - Lebensweisheiten aus dem Mund von Ward Hopkins nicht viel aufzubieten. Nichts davon hat mit dem Prädikat "Thriller" zu tun. Einzelne Handlungsstränge und Episoden dieses Romans sind dicht und sehr lesbar erzählt, aber das Gesamtbild wirkt wie das abstrakte Gemälde eines völlig durchgeknallten Anstaltsinsassen. Elemente scheinen völlig anderen Plots zu entspringen und letztlich für das Buch zurechtgestutzt worden zu sein. So macht die relativ ausführliche Vorgeschichte von Lee überhaupt keinen Sinn, da er in Minutenschnelle zum austauschbaren Bauernopfer im Rahmen einer eher sinnfreien Anschlagsserie wird. Die in einem Nebenstrang von John Zandt entdeckten "Wurzelkeller" tauchen später nicht mehr auf, weder indirekt, noch im Wortsinn. Das Ende ähnelt einem klassischen, allerdings etwas depressiven Rettung-in-letzter-Minute-Showdown, ohne auch nur ansatzweise das Kernrätsel zu lösen, dafür aber gibt es jede Menge Leichen. Mag sein, dass es Marshalls Idee war, die Aussichtslosigkeit des Kampfes gegen eine so übermächtige Geheimorganisation, wie die "Straw Men" es sein sollen, zu schildern, aber das hat er erstens schon zweimal getan und zweitens widerspricht dies dem Interesse der Leser. Die gesamte Trilogie, so es sich um eine handelt, macht insgesamt keinen einzigen Schritt nach vorne. Und von Spannung kann, wie erwähnt, keine Rede sein.
Ganz haarig wird es übrigens, wenn Marshall versucht, die erdachten Schauplätze seiner Handlung detailgenau zu schildern. Seine Angaben fallen zwar anscheinend präzise aus, sind es aber keinesweg, und wie in der Schlussszene von "Engel des Todes" kann sich der Leser nur dadurch helfen, dass er einfach alle Positionsbeschreibungen und Topologien völlig ignoriert. Es reicht, wenn man sich darauf einlässt, dass fürchterlich viel geschossen wird und letztlich ein paar Leute tot sind. Wer genau wo gestanden hat, um wen zu sehen und folglich erschießen zu können, das geht aus den Beschreibungen nicht hervor. Alleine, es spielt ja auch keine Rolle. Ergebnisse zählen. Und auch Logik ist kein relevanter Aspekt dieses Romans. Warum der sonst hyperintelligente und vorausschauende Paul an der entscheidenden Stelle so dumm ist, seine Rufnummer nicht zu unterdrücken, unterschlägt der Autor.
Lieber Michael Marshall - bitte nehmen Sie das "Smith" wieder in Ihren Namen und schreiben Sie so großartige Science-Fiction-Romane wie "Geklont" oder "Stark, der Traumdetektiv". Verschwörungsthriller sind Ihr Genre nicht. Das haben Sie mit dieser Reihe eindrucksvoll bewiesen.