Bis ich dich finde. Roman.
John Irving, Diogenes, Juni 2007
... das dauert mir zu lange. Ich gehöre zu der offenbar nicht gerade kleinen Fraktion, die den frühen Irving geliebt, sein späteres Werk aber eher skeptisch beurteilt hat. Ausreißer wie "Die vierte Hand" oder "Witwe für ein Jahr" habe ich Irving nicht verziehen, weil der Zauber und die Originalität von "Hotel New Hampshire", "Garp", "Gottes Werk" und "Owen Meany" fehlten. "Bis ich dich finde" hat in gewisser Weise seine Parallelen zu den Star-Wars-Fortsetzungen, mit denen uns George Lucas traktiert hat, oder aktuell zum völlig überflüssigen vierten Indiana-Jones-Film: Man nimmt das, was man als Ursache für den früheren Erfolg ausgemacht hat, vermengt das mit einer uninspirierten, belanglosen oder, schlimmer, langweiligen - aber zeitlich adaptierten - Geschichte und hofft auf das beste. "Bis ich dich finde" folgt genau diesem Ansatz. Wieder ist es ein besondere Kind (immer ein Junge), das die Welt auf seine ganz eigene Art sieht. Wieder gibt es eine vermeintlich originelle Hintergrundgeschichte (quälend, manchmal sogar peinlich: die Welt der Tätowierer). Und dann eben noch die anderen Elemente, die man von Irving kennt: Problematische Sexualität, Huren, Außenseitertum, und, natürlich, das Ringen. Exzellente Zutaten alleine erzeugen keinen exzellenten Hauptgang. Irving hat sich böse verhoben, und so ähnlich geht es dem Leser, der sich durch die fast 1.200 Seiten dieser wiedergekäuten, unzeitgemäßen und mit Selbstzitaten vollgestopften Geschichte müht. Ja, es ist alles enthalten, was man früher an Irving geliebt hat. Aber das war erstens früher und zweitens originell. Beides gilt heute nicht mehr. Emapthiefrei, handlungsarm, aufgesetzt und sterbenslangweilig. Mein definitiv letzter Irving.