Eureka Street, Belfast. Roman.
Robert McLiam Wilson, Fischer 1999


Jake ist nur zu einer Beziehung wirklich fähig, nämlich der zu seiner - euphemistisch gesagt - sonderbaren Heimatstadt Belfast, und deshalb verläßt ihn Sarah auch wieder, auch um den permanenten Bombenanschlägen ins heimatliche England entfliehen. Jakes Kumpel Chuckie, von dem kaum einer weiß, daß er eigentlich Charles heißt, ist dick und bauernschlau - und von der Idee besessen, reich zu werden. Die ersten Tausender fließen, als Chuckie eine Anzeige für superbillige Riesendildos schaltet, um den Bestellern der nichtexistenten Ware einen Scheck mit der dicken Aufschrift
"RIESENDILDO-RÜCKERSTATTUNG" zuzuschicken, den natürlich kaum jemand einlöst. Außerdem sind da noch die Schläger, mit denen Jake seinem Job nachgeht, der Wiederbeschaffung von Ware, die von den Käufern in den armen Gegenden Belfasts nicht mehr abbezahlt wird. Und es gibt noch die Kumpels im Pub, zum Beispiel Septic Ted, hinter dessen Spitznamen sich eine ganz besondere Geschichte verbirgt …

Jake lernt immer wieder Frauen kennen, mit denen er es sich alsbald verscherzt, unter anderem auch die radikale Katholikin mit dem Kotzgeräusch-Namen, die an den Sieg ihrer "Seite" glaubt und keine andere Meinung zuläßt. Chuckie macht eine Bilderbuchkarriere mit haufenweise Luftgeschäften, die ihm Millionen einbringen. Doch dann explodiert wieder einmal eine Bombe mitten in der Innenstadt, und außerdem taucht ein neues Grafitti an allen Häuserwänden auf, für das weder Protestanten, noch Katholiken eine Erklärung haben.

"Eureka Street, Belfast" ist ein ganz zauberhaftes, zärtliches und wunderbar erzähltes Buch über die Haßliebe zu einer Stadt, die wie kaum eine andere in Europa für bewaffnete Konflikte steht, deren wahre Gründe zu nennen selbst die Beteiligten in Erklärungsnotstand bringen würde. Denn eigentlich sitzen sie zusammen in den Pubs, die Katholiken und Protestanten, gehen gemeinsam ihren Geschäften nach - und verlieben sich ineinander. Und genau dieser Aspekt ist es auch, der im Mittelpunkt der Geschichte steht, deren Ich-Erzähler Jake die Schnauze voll hat von den Haßtiraden und den Dogmen, den leeren Phrasen und anachronistischen Feindbildern, der seine Welt liebt, seine Freunde - und schließlich auch die Frau, von der er selbst es am wenigsten erwartet hätte.

Das Buch endet um die Zeit, als die IRA Mitte der Neunziger den hoffnungsvollen Waffenstillstand ausgerufen hat, von dem wir heute wissen, daß er nur ein vorläufiges Ende des Konfliktes war. Es handelt aber vor allem von seinen sympathischen, etwas ruppigen und ziemlich … belfastigen Figuren, ihren überraschenden, enorm amüsanten, häufig aber auch sehr tragischen Erlebnissen. Eine sehr, sehr schöne Lektüre, bei der ich häufig laut lachen mußte, manchmal aber auch …

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