Baudolino.
Roman
Umberto Eco, Hanser 2001


Ein Schelmenroman. Sagt der Klappentext.
Eine ermüdende, wenig amüsante Historienschwarte. Sage ich.

Der Bauernsohn Baudolino begegnet im Wald, unweit seines italienischen Heimatdorfes, (aus dem später Alexandria wird), Kaiser Friedrich, genannt Barbarossa. Der deutsche Herrscher findet Gefallen an dem Burschen, der sich mit einer Flunkerei einführt, die weitreichende, für Friedrich positive Konsequenzen hat. Barbarossa adoptiert Baudolino, und dieser greift fortan aktiv in die Geschichte ein. In die vorliegende und die tatsächliche.

Jahrzehnte später erzählt der notorische Lügner seine Lebensgeschichte dem Logotheten Niketas Choniates, während Konstantinopel brennt, quasi im Hintergrund. Eco vollführt einen erzählerischen Kopfstand, denn wie die Antwort auf die Frage "Lügst Du jetzt?" an einen Lügner niemals wirklich Aufschluß geben kann, wackelt die Erzählung Baudolinos permanent, pendelt zwischen innerer und vermeintlich vorhandener äußerer Lüge, und genau das ist das Problem. Über hunderte von Seiten zweifelt der Leser nicht etwa daran, ob der Bauernsohn - den es nie gab - tatsächlich die Wahrheit erzählt, was seinen Eingriff in die Geschichte anbetrifft, (die Antwort auf diese Frage ist eindeutig), sondern wie und ob sich das abstruse und teilweise recht lächerliche Lügenbauwerk als solches entpuppt. Und zwar jenes, das die gesamte erzählte Handlung darstellt, auf beiden Ebenen.

Angereichert mit einer Vielzahl an Hintergrundinformationen und Fakten aus dem zwölften Jahrhundert, über Kirchenhierarchien, Monarchien, Städteherrschaften, Pakte und Ligen, berichtet Eco in einfacher Sprache über das Leben seines Protagonisten, der neben seiner vorstechenden Charaktereigenschaft bläßlich bleibt, wie übrigens auch alle Nebendarsteller, Friedrich eingeschlossen. Schwerwiegende Ereignisse werden zu lachhaften Anekdoten, von Dramatik oder Spannung keine Spur, einzig die zarte Liebesgeschichte zwischen Baudolino und Kaiserin Beatrix hat so etwas wie Charme, Atmosphäre, endet aber mitten im Buch. Der Spaß daran, im Nachhinein die Geschichte - die tatsächliche, jene des zwölften Jahrhunderts - neu zu lesen, verpufft schnell - irgendwo in der Mitte.

Mag sein, daß der eine oder andere Chronist Gefallen an dieser Posse um die Zeit Friedrich I. findet, Vergnügen hat an der vermeintlichen Geschichtsfälschung, in deren Kontext natürlich - und alleine das habe ich als halbwegs spannend empfunden - die Frage steht, inwieweit überhaupt Verlaß auf die Überlieferungen und Dokumente aus jener, eigentlich *jeder* Epoche ist. Aber das reicht nicht. Die fade, sprachlich eher unterdurchschnittliche Erzählung kommt nie wirklich aus den Hufen, quält den Leser durch inflationäre Fakten- und Namensansammlungen, wirkt spröde und leblos, entwickelt aber vor allem keine plastischen Figuren, mehr noch, läßt die Menschen jener Zeit zu lächerlichen Figuren auf dem kaiserlichen Schachbrett werden, ohne Schicksal und Emotionen.

 

bestellen

zurück

©Tom Liehr - http://www.tom-liehr.de - Kontakt