Wie Barney es sieht.
Roman.
Mordecai Richler, BLT/Lübbe2002

 

Der achtundsechzigjährige Kanadier Barney Parnofsky blickt auf sein Leben zurück, die drei Ehen, die Sturm-und-Drang-Zeit im Paris der frühen Sechziger, verstorbene Freunde, leichtfertige Eheschließungen, künstlerische Ambitionien - und einen reichhaltigen Fundus über die Zeit angehäufter Feinde, allen voran Initmus Terry McIver, dessen erfolgreiche Autobiographie sich insbesondere Barneys Verfehlungen widmet. Parnofsky selbst hat viel Geld mit Schund-Fernsehserien gemacht, und er hadert neben der Einsamkeit hauptsächlich mit zwei Dingen: Dem vermeintlichen Mord an seinem besten Freund Boogie, von dem er zwar freigesprochen wurde, der ihm aber über dreißig Jahre anhängt wie ein Furunkel am Gesäß - und der Tatsache, daß ihn Miriam, seine dritte Frau, verlassen hat - der einzige Mensch, der ihm je wirklich etwas bedeutet hat. Parnofsky ist nicht gerade ein Altruist, sondern ein saufender, spitzfindiger, gemeiner, lustiger, verfressener Kerl, der pausenlos dicke Zigarren raucht und seine Widersacher mit überaus komischen anonymen Briefen traktiert. Der schreibende Barney hat Alzheimer im Frühstadium; die Lebensgeschichte ist gespickt mit Gedächtnisaussetzern, die sich mit Beschönigungen (Originaltitel des Buches: "Barney's Version") abwechseln. Mit Dutzenden Fußnoten hat Parnofsky-Sohn Mike das Manuskript korrigiert - eine stilistische Feinheit, die dem Buch eine sehr persönliche, anrührende Note verleiht.

Richler schreibt fantastisch, stilistisch vergleichbar mit Updike und Roth; "Wie Barney es sieht" hat viel mit "Sabbaths Theater" gemein, wirkt aber persönlicher und verletzlicher, eben wie die authentische Offenbarung eines sehr eloquenten alten Mannes, der rückblickend vor allem Fehlentscheidungen diagnostiziert, aber nicht bereit ist, diese zu bereuen - wozu auch? Das Buch strotzt vor Originalität und Lakonie, der sprunghafte Aufbau wirkt perfekt komponiert - sehr unterhaltsame Lektüre.

 

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