Interview mit einem Barbier.
Roman.
Douglas Lindsey, Goldmann 2003


Wie das endlose, aberwitzige Grauen, das sich über die vierhundert Seiten langsam, aber gnadenlos entwickelt, zieht Lindsey mit seinem unfreiwilligen Massenmörder, der eigentlich nur Frisuren schneiden will, mehr und mehr in den Bann. Während der erste Band "Furcht und Schrecken im Frisörsalon" noch etwas zäh wirkte, läuft der leicht aphatische, nur hinter einem Frisierstuhl wirklich lebendige Barney Thomson in "Interview mit einem Barbier" zur Höchstform auf.

Nach dem Massaker im Kloster, das den zweiten Band "Waschen, schneiden, umlegen" beendete, ist Barney auf der Flucht. Das Inspektorenpaar Proudfoot und Mulholland hat ihn zwar laufen lassen, aber glücklich ist der mittelalte Haarschneider, der ein bißchen wie Sean Connery aussieht, leider aber so langweilig ist wie Currywurst ohne Ketchup, nicht - es zieht ihn zurück nach Glasgow. Thomson will sich stellen, aber während des vergangenen Jahres haben das tausende in seinem Namen versucht: Obschon eigentlich nur zweier, eher zufälliger Todesfälle schuldig, hält ihn ganz Schottland nach wie vor für den größten Schlächter seit Dschingis Khan, beherrschen immer noch Schlagzeilen wie "Ich wurde von einem Alien geschwängert, das wie Barney Thomson aussah" die Zeitungen. Verständlich, daß da massenweise Psychopathen auf die Polizeiwachen marschieren und behaupten, der legendäre Friseur mit dem Messer zu sein. Nach dem zweiten Versuch gibt Thomson auf, der Zufall führt ihn in einen Frisörsalon, dessen knarriger Betreiber selbst mit einem 51er Jimmy Stewart überfordert ist. Der meistgesuchte Friseur aller Zeiten rettet den Laden vor dem Ruin - und macht keinen Hehl daraus, wer er ist - aber niemand glaubt ihm, außer vielleicht Leyland Blizzard, der alte Salonbesitzer. Er empfiehlt dem albtraumgeplagten Barney, sich einer geheimen Selbsthilfegruppe namens "Die Anonymen Mörder" anzuschließen.

Währenddessen treibt ein neuer, bestialischer Massenmörder sein Unwesen, was Polizeichef McMennemy, der sich selbst "M" nennt, dazu bewegt, Proudfoot und Mulholland wieder auf den Plan zu rufen, die nach dem Klosterdesaster - getrennt - in die Provinz versetzt wurden, um verschwundene Teddys zu suchen oder angeblichen Entführungen durch Außerirdische nachzugehen. Das Unvermeidliche geschieht, als sich die "Anonymen Mörder" zur weihnachtlichen Klausur in ein einsames Haus auf dem Land zurückziehen ...

Es ist blutig, lakonisch, überaus witzig, hammerhart, zärtlich, gut erzählt. Grausamer als Hannibal Lecter, komischer als die letzten drei "Per Anhalter durch die Galaxis", und mit Hauptfiguren ausgestattet, die so herzergreifend kaputt sind, daß man sie problemlos für Helden hält.

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