Die Auserwählten. Roman
Rob Kean, Heyne 2001

 

Ein Roman nach dem "Man nehme"-Prinzip: Man nehme ein halbwegs interessantes Umfeld (hier Studentenverbindungen), ein paar Figuren, die man nach Schema F, Unterschema "Protagonisten-/Antagonistenbau" mit Charakteristika ausstatte, einen Cliffhanger alle fünf Seiten, anspruchslose, aber informationsreiche Diktion und Sprache, und - abrakadabra - fertig ist der "verdammt gute Roman". Rob Keans sechshundertseitiger Erstling ist so exakt und leidenschaftslos komponiert, daß er direkt dem Bemühen entsprungen sein könnte, das Regelwerk eines Creative-Writing-Seminars anschaulich umzusetzen. Bemerkenswert insbesondere unter dem Aspekt der Namensvergabe; zuletzt in Ayn Rands "Atlas shrugged" ("Wer ist John Galt? - Atlas wirft die Welt ab") habe ich so eine zwingende, leserphantasiezersetzende Figurenbenennung zur Kenntnis genommen.

Mark Jessy ( ... Jesse James) ist der Underdog am Elitecollege. Sein Geheimnis: Die Eltern, indianischer Abstammung, sind dem FBI zum Opfer gefallen. Jedenfalls die Mama. Papa Jessy hat sich stantepede gerächt und gehört zu den meistgesuchten Männern Amerikas. Mark durfte trotzdem - er ist ein brillanter Lacrosse-Spieler - an eines der höchstdotierten Colleges der Staaten, das feine, kleine Simsbury, dominiert von der Studentenverbindung Sigma, deren besorgniserregende - aber natürlich geheime - Rituale dazu dienen, Gehorsam und Stolz bei ihren Mitgliedern, den "Brüdern", zu erzeugen. Zu diesem Zweck greift man auch gerne mal zu Gewalt, Drogen und rüden "Spielchen", wie sie sonst nur vom alljährlichen Treffen der "Hells Angels" bekannt sind: Kotze und Urin trinken, Scheiße fressen, vor allem aber blind gehorchen, den seltsamen Reimen, die die Verbindungsoberen kreieren, der internen Kommandosprache von "Sigma". "Füchse", die jüngeren Verbindungsbrüder, sitzen in Schals und Mützen gemümmelt in den Vorlesungen, damit niemand die Wunden und blauen Flecken sieht.

Wo gehobelt wird, fallen Späne, ein "Fuchs" stirbt im Nachgang eines Rituals. Templeton, der verbindungsspeichelleckende Dekan, versucht, aus der Sache einen Selbstmord zu machen, während der studentische Disziplinarausschuß nach und nach die üblen Machenschaften von "Sigma" aufdeckt. Natürlich reichen diese Machenschaften weit über das College hinaus; Sigma hat die ganzen Staaten in der Hand. Mark Jessy sitzt mächtig zwischen den Stühlen, als er sich als ehemaliger Sigma und Mitglied des Disziplinarausschusses nach und nach der Erkenntnis beugen muß, daß seine Kumpels ganz schön miese Arschlöcher sind.

Undsoweiter. Das Gute siegt, Mark bekommt (bzw. behält) die Oberschöne, der fiese Tempelton kriegt ein Schwert (!) zwischen die Rippen, blablabla. Es mag Leute geben, die sowas spannend finden, denen vierzig Klischees pro Seite noch immer nicht die Feuchte in die Augen treiben. Als hätten Grisham und Konsalik per Retortengeburt einen Nachfolger gezeugt. Übler Mainstream, aber *sehr* erfolgreich, und sicherlich mit der einen oder anderen Fortsetzung (gleiches Muster, andere Charaktere) in Planung. Ich hatte schon kurz nach dem Zuklappen Schwierigkeiten, mich an Einzelheiten zu erinnern. Da rein, da raus: Vermutlich würde ich es kaum bemerken, läse ich in ein, zwei Jahren das gleiche nochmal.


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