Ganze Arbeit. Roman.
Magnus Mills, Suhrkamp 2006
Der Wert der Arbeit
Mills betreibt Reduktion bis zur Schmerzgrenze. In diesem Roman, der keiner ist, findet sich nichts, das nicht zwingend für dessen Funktionieren notwendig wäre. Die Frage, die sich stellt, lautet folgerichtig: Funktioniert er?
Der namenlose Held ist Fahrer eines UniVans, jenes Transportwagens, der aus rasch austauschbaren, im Baukastensystem gefertigten Einzelteilen besteht. Über das Land verteilt befindet sich ein Netz von Depots, und zwischen diesen sind die Lieferwagenfahrer unterwegs, hunderte, tausende von ihnen. Sie tun nichts anderes als Ersatzteile für den UniVan von Depot zu Depot zu liefern. Das und nur das. Dieses System funktioniert seit dreißig Jahren. Die Mitarbeiter werden exzellent bezahlt, einige Aufseher sind kulant und gönnen vorzeitige Feierabende. Das wiederum wird von einigen nicht sehr gerne gesehen. Der Konflikt zwischen den Freunden des vorzeitigen Schlusses der sinnleeren Arbeit und den "Pauschaltagvertretern" spitzt sich zu.
Die Frage, die hinter all dem steht, lautet: Was ist Arbeit und was ist "nur" Beschäftigung? Wenn sich der Mensch über seine Arbeit definiert, ist dann eine Tätigkeit, die keinen Zweck hat, außer Menschen betriebsam zu halten, immer noch geeignet, dieser Definition gerecht zu werden? Die Frage wird zwar weder entschieden, noch (direkt) beantwortet, aber am Ende des spröden, auf jeden Schnörkel verzichtenden Buches sollte der geneigte Leser zumindest eine Idee davon haben. Und die Frage läßt sich natürlich ausdehnen. Das Extrembeispiel der sich selbst befruchtenden und für "Außenstehende" nutzfreien Branche steht für viele Arten von Produkten und Dienstleistungen, begonnen bei "Busspurbetreuern", die es in den Achtzigern mal gab, bis hin zu Steuerberatern, die es immer noch gibt, und deren Rechnungen zumindest bis vor kurzer Zeit ausgerechnet von der Steuer absetzbar waren.
Während Mills in seinen ersten beiden Büchern "Die Herren der Zäune" und "Indien kann warten" Charakterzeichnungen wenigstens andeutete, verzichtet er in "Ganze Arbeit" auf derlei völlig; der Protagonist ist sogar noch unentschiedener und teilnahmsloser als die vielen, zuweilen schwer auseinanderzuhaltenden anderen Mitarbeiter des PLANS, wie das Arbeitsmodell heißt. Wie angedeutet, wirkt das Buch deshalb spröde, emotionslos und nicht gerade spannend. Die Idee mit all ihren Implikationen ist es aber durchaus, und als Satire über verschiedene Gesellschaftsmodelle funktioniert "Ganze Arbeit" auch. Nur eben nicht als Unterhaltungsroman. Das soll es aber, vermute ich mal, auch nicht sein.