Androidenträume.
John Scalzi, Heyne 2009


androidenträume


Anfangs dachte ich: Großer Gott, was für ein Blödsinn! Ein Diplomat furzt den Vertreter einer außerirdischen Zivilisation zu Tode, weil er sich ein Gerät hat in den Darm implantieren lassen, mit dessen Hilfe er die beinahe vergessene Duft-Hochsprache der Aliens beherrschte. Der ziemliche brachiale Humor und der gewollt-komische Aufbau des ersten Teils von "Androidenträume" ließen mich nicht selten in Erwägung ziehen, das Buch beiseite zu legen. Scalzi hatte, so diagnostizierte ich, den offenbar gescheiterten Versuch unternommen, eine Form von satirischer Science Fiction zu liefern, an der sich schon andere die Zähne ausgebissen haben. Zum Glück gab ich dem Roman aber doch noch eine Chance.

Vorweg: Androiden spielen in diesem Buch keine Rolle. Bei den titelgebenden "Androidenträumen" handelt es sich um eine genetisch veränderte Schafsrasse, die eine wesentliche Rolle bei der Krönungszeremonie einer ziemlich abgedrehten, sehr hierarchischen, xenophoben und nur mittelmäßig mächtigen Zivilisation spielen. Wenn kein natürlicher Erbe existiert, muss derjenige, der den Thron besteigen will, ein Schaf aus dieser Rasse vorweisen. Nur hat die bis dato herrschende Klasse leider dafür gesorgt, dass es keine Androidentraum-Schafe mehr gibt - bis auf ein Exemplar, auf der Erde. Um den "Vorfall" um den totgepupten Diplomaten auszugleichen und einen galaktischen Krieg zu verhindern, muss die Erdregierung dieses Schaf finden und ausliefern. Wie sich alsbald herausstellt, stecken dessen Gene aber in einer menschlichen Frau. Eine Hetzjagd beginnt, an der sich neben Außen- und Handelsministerium und den Vertretern der Aliens auch noch eine obskure, aber außerordentlich mächtige Sekte beteiligt.

Ich neige zu der Vermutung, dass Scalzi den Anfang dieses Romans schon Jahre vor dem Erfolg mit "Krieg der Klone" geschrieben und wieder aufgegriffen hat, als sich Bedarf nach weiteren Büchern aus seiner Feder abzeichnete. Nach etwa hundert eher schwachen Seiten wird die Geschichte nämlich richtig rasant, sehr pfiffig und wirklich komisch. Die vielschichtigen Verstrickungen führen zu einem überraschenden, aber folgerichtigen Ende, das man fast schon als "brillant" bezeichnen könnte.

Stilistisch und dramaturgisch hat mich dieses Buch sogar weit mehr überzeugt als seine Vorgänger. Eine wirklich flotte, intelligent und konsequent aufgebaute Story, die mit Versatzstücken aus Krimi, Polit-Thriller, Satire und utopischem Roman arbeitet, überzeugende Dialoge und amüsante Abschnitte bietet, und - als einziges Manko neben dem etwas holprigen Einstieg - nur hin und wieder an einer logischen Klippe entlangschrammt. Empfehlenswert - und zwar längst nicht nur für SF-Puristen.

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