Amerikanisches Idyll.
Philip Roth, Rowohlt 2000 (HC)
Amerikanischer Alptraum
Philip Roth, einer der arriviertesten amerikanischen Autoren, dessen Erstling "Portnoys Beschwerden" in den Siebzigern für Skandale und Furore sorgte, und der für seinen vorletzten, brillanten Roman "Sabbaths Theater" den "National Book Award" gewann, schwenkt mit diesem, mit dem Pulitzerpreis bedachten Buch von der halbautobiographischen Erzählung zu einer selbstdistanzierteren Gesellschaftsbetrachtung um.
Natürlich spielt auch "Amerikanisches Idyll" in Newark, dem Geburtsort Roths, und auch die Probleme des amerikanischen Judentums spielen eine, wenn auch untergeordnete, Rolle. Seymour "Der Schwede" Levor, Held des Romans, ist ein untypischer amerikanischer Jude, groß, stark, blond, ein Bär von einem Mann, hochangesehener und erfolgreicher College-Sportler und Ehemann einer Fast-Miss-America. Ein Stoiker, fast - aber nur fast - ein Dummkopf, auf Harmonie bedacht, ein Mann, der es jedem nur recht machen will. Nachdem der Schwede in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist und die Handschuhfabrik "Newark Maid" entgegen aller Widrigkeiten bis in die frühen Achtziger in einem kaum erträglichen sozialen Umfeld leitet, beginnt sich das Idyll aufzulösen.
Obwohl alle Parameter stimmen, obwohl alles ideal zu sein scheint, bahnen sich die Katastrophen an. Merry, die stotternde Tochter, einziges Kind der Levovs, wird zur Rebellin, sprengt als Demonstration gegen den Vietnam-Krieg das Postamt von "Old Shimrock", dem beschaulichen Ort, in dem die Levovs schließlich leben, in die Luft, tötet dabei einen Menschen, und verschwindet.
Fortan entwickelt sich das Leben der Levovs unter dem Druck dieser Ereignisse. Nach außen - und nach innen - immer noch bemüht, das aufgebaute, erwünschte, vorbildliche Leben fortzuführen, zerbricht der Schwede an seiner Unfähigkeit, die wirklichen Gründe für die Geschehnisse zu finden.
Die Ereignisse und die innere Auflösung des Helden eskalieren, als seine Tochter Jahre später als abgehärmte "Jania"-Jüngerin wieder auftaucht, inzwischen verantwortlich für mehrere Bombenanschläge, und das häusliche Idyll vollständig zerbricht, als der Schwede feststellen muß, daß ihn seine Ex-"Miss New Jersey" mit einem seiner besten "Freunde" betrügt.
Philip Roth widmet sich der Betrachtung seiner Figuren, vornehmlich seiner Hauptfigur, mit einer detailbesessenen Akribie, die es dem Leser gelegentlich etwas schwer macht. Gleichzeitig zeichnet er Bilder, Gefühle und Situationen in einer Art, die ihm kaum ein Gegenwartsautor nachzuahmen in der Lage wäre, schafft mit seinen Erzählweise Nähe, die an das Buch bindet, und die den Figuren und ihren Problemen Plastizität verleiht. Erstklassig.
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