Verrückt in Alabama.
Roman
Mark Childress, Goldmann 1996

 

1965. Frauen sind ihren Männern Untertan, die Schwarzen den Weißen, insbesondere in den Südstaaten. Martin Luther King entwickelt sich zum Massenführer, das Fernsehen zum Massenmedium.

Die einunddreißigjährige Lucille verabreicht ihrem langweiligen und tyrannischen Ehemann Rattengift, trennt ihm den Kopf ab und verpackt diesen in eine patentierte Tupperware-Salatbox. Neffe Peter Joseph - genannt Peejoe - kommt in den zweifelhaften Genuß, Onkel Chesters abgetrennten Schädel aus der Schüssel auftauchen zu sehen. Lucille flieht, macht sich auf den Weg nach Kalifornien, zu einem Vorsprechen für die populäre TV-Serie "Beverly Hilliebillies", während Peejoe in die Kleinstadt "Industry" verbannt wird, zu Onkel Dove, dem Leichenbestatter, weil sich Oma "Meemaw" um die sechs Kinder von Lucille und Chester kümmern muß.

Während Lucille - fortan "Caroline Clay" - eine Odysee voller Sex, unverhofften und forcierten Erfolgen, kleinen Gaunereien und amüsanten Begegnungen erleben darf - immer in Begleitung von Chesters Kopf in der Salatbox -, wird der kleine Peejoe Zeuge ausufernder Rassenunruhen. Die Neger wollen in das neue Schwimmbad von "Industry", denn Alabama ist heiß, aber Sheriff John Dogget ist noch heißer. Onkel Dove bekommt eine Menge Arbeit, Peejoe wird ungewollt zum Helden, begegnet sogar MLK, während Lucille-Caroline auf einer Woge der Freiheit schwimmt, reichlich Geld in Vegas gewinnt, Männer reihenweise vernascht und schließlich sogar die Rolle bei den "Hilliebillies" bekommt.

"Verrückt in Alabama" tändelt zwischen rasanter Komödie und nachdenklicher Reflexion des Südstaatenamerikas der frühen Sechziger. In atemloser, manchmal etwas sehr einfacher Erzählweise baut Childress seine plastischen Figuren in und um die Vielzahl der Geschehnisse, die ob der Atemlosigkeit gelegentlich ziemlich mühevoll um ihre Position in der Geschichte, quasi um Atemluft kämpfen müssen.
Dennoch ist der Roman überaus lesbar, ein echter Seitenverschlinger, trotz der knapp 500 Seiten allerdings viel zu kurz. Einiges bleibt leider auf der Strecke oder wird zugunsten eines umfassenden und zugleich knappen Endes zurechtgebogen. Richtiggehend gestört hat mich dabei, daß Childress zwar eine gehörige Wut auf die Situation der Schwarzen aufzubauen gelingt, er den gesamten Konflikt aber gen Ende schlicht verpuffen läßt.


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©Tom Liehr - http://www.tom-liehr.de - Kontakt