Adler und Engel. Roman.
Juli Zeh, btb 2003


Max war Anwalt in der Wiener Kanzlei des Juristenmoguls Rufus, Max wurde nach Leipzig versetzt, in die Dependance, um sich mit der EU-Osterweiterung zu befassen, nachdem in Wien der Balkan sein Spezialgebiet war. In Leipzig lebt er mit Jessie zusammen, der kleinwüchsigen Tochter von Herbert, seines Zeichens einer der größten Drogenbosse Europas. Als sich Jessie während eines Telefongesprächs mit Max durch einen Schuß in den eigenen Schädel tötet, stürzt Max ab, fast endgültig - wäre da nicht die toughe Clara, eine Rundfunkjournalistin, die nach Max' Anruf in ihrer Late-Night-Talk-Sendung eine ganz große Story wittert - beziehungsweise ein Thema für ihre Diplomarbeit. Sie nimmt sich des kokssüchtigen, eloquenten, herrischen, selbstzerstörerischen Typen an, bringt ihn dazu, seine Lebensgeschichte zu erzählen, sogar, mit ihr nach Wien zu fahren, um die Hintergründe zu durchleuchten, und ihr Engagement in dieser Sache reicht über "Selbstaufopferung" weit hinaus.

Hört sich verwirrend an, ist es aber nicht. "Adler und Engel" kommt mit seinen beiden Protagonisten und einer Handvoll weiterer Figuren aus, und die Tour de Force des seltsamen Paars wird sehr eindringlich, fast drückend geschildert; während des Lesens kommt ein Gefühl der Schwüle auf, ein Bild, das nicht zuletzt deshalb naheliegend scheint, weil es im Roman selbst benutzt wird - die permanente Hitze in Wien, das Leiden der Figuren, alles steht kurz vor dem Aus- oder Zusammenbruch, mittel- und unmittelbar. Im letzten Kapitel endlich kommt der Regen, erfrischend auch für den Leser. Bis zur Selbstaufgabe hat Clara gekämpft, um hinter die Geheimnisse ihres "Schützlings" zu kommen, jene gewaltigen, vernichtenden, bedrohlichen Geheimnisse, die zu erfahren auch im Interesse des Drogenbosses Herbert und des hauptamtlichen EU-Vergewaltigers Rufus liegt.

Juli Zeh erzählt in harter, manchmal sehr direkter, manchmal etwas zu bildhafter Sprache, "männlich", möchte man sagen, dann wieder wird die Verletzlichkeit der Figuren spür-, fast greifbar. Ein Buch, das wirklich in den Bann zieht, vor allem sprachlich, trotz der - m.e. grundlos - fehlenden Anführungszeichen bei direkter Rede, trotz des etwas brachial zur Punktlandung gebogenen Endes, trotz der gelegentlich haarscharf an der Unglaubwürdigkeit lavierenden Kasteiung seiner Helden. Dringende Empfehlung.


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