Was ich liebte. Roman.
Siri Hustvedt, Rowohlt 2004


Der Roman beginnt wie eine - fast will man sagen: typische - Beziehungsgeschichte aus dem New York der späten Sechziger. Zwei junge Männer lernen sich kennen, einer (der Ich-Erzähler) Kunsthistoriker, der andere Künstler, am Beginn seiner Karriere. Der Historiker Leo hat das Gemälde "Selbstportrait" von William "Bill" Wechsler gekauft (auf dem dieser nicht zu sehen ist, dafür aber seine spätere Frau Violet) und war so beeindruckt, daß er den Maler ennenlernen wollte. Die beiden verheirateten Männer freunden sich an, wohnen schließlich auch nahe beieinander, irgendwo im Village - der Beginn einer Freundschaft, die sehr, sehr lange anhalten wird.
"Was ich liebte" liest sich anfangs etwas verkopft, ist durchsetzt von vielen klugen, manchmal belehrend erscheinenden Anmerkungen, Querverweisen, Zitaten, Hinweisen auf Bilder, Künstler, Autoren und andere Zeitgenossen. Hier besteht die Gefahr, daß sich Leser abwenden, die - zu unrecht - vermuten, daß die etwas eitel erscheinende Erzählweise anhält, daß es über sämtliche 500 Seiten darum gehen wird, wer was gelesen und welches Bild wie interpretiert hat.

Nach dieser etwas zähen, allerdings durchaus notwendigen Ouvertüre entwickelt sich eine sehr liebevoll, sanft, bestimmend, fein und intelligent beobachtete Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt die beiden alternden Männer, ihre Frauen und insbesondere Kinder stehen - Matthew und Mark, fast zeitgleich geboren. Die tragischen Schicksale der Jungs werden zum Spiegelbild für die Männer, zur Nagelprobe für die Beziehungen, zur Herausforderung für die Frauen. Die Kunst, die bildende und abbildende Kunst, steht als Hintergrundthema über allem, dient dem Vergleich, aber auch als Kontext, moralische Ebene und Schlüssel zum Verstehen.

Diesem zärtlichen, aber auch brutalen, zuweilen sehr schonungslosen, sehr gut geschriebenen, intelligenten und komischen, hauptsächlich optimistisch-traurigen Buch muß man unbedingt die Chance geben, die der erste Teil braucht, um das zu entwickeln, was Siri Hustvedt auf sehr eindringliche Art (und aus Sicht eines Mannes) erzählen will.
Ein großer, schöner Roman, dessen Wirkung lange anhält, glücklicherweise.

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