Der wilde Planet. Roman.
John Scalzi, Heyne 2011


Der wilde Planet

In der Zukunft werden HiFi-Anlagen wieder teurer

Diejenigen, die bei Heyne mit der Gestaltung von SF-Romanen zu tun haben, scheinen die Leser solcher Bücher durch die Bank für Leute zu halten, die reflexartig nach allem greifen, auf dem ein effektvoll ballerndes Raumschiff abgebildet ist. Anders ist das Cover von "Der wilde Planet" nicht zu erklären, denn ein Raumschiff kommt im Buch selbst nicht vor, und erst recht kein Laserstrahlen abfeuerndes.

Tatsächlich ist die Technik, die in Scalzis neuem Roman, der auf einer älteren Erzählung von Henry Beam Piper aus dem Jahr 1962 basiert, beschrieben wird, gleichsam altbacken. Der Planet, auf dem die Handlung spielt, ist zwar 180 Lichtjahre von der Erde entfernt, wobei Scalzi an keiner Stelle erklärt, wie diese Entfernung technisch überwunden wird, aber etwa die Gleiter, in denen man herumfliegt, werden von vier einfachen Rotoren in der Luft gehalten, und die Roboter, die für gefährliche Einsätze genutzt werden, müssen über "InfoPanels" von Hand gesteuert werden, wobei jene InfoPanels auch für die gesamte Kommunikation genutzt werden. Die Neuinstallation des Gleiter-Betriebssystems dauert übrigens, wie wir erfahren, gute zwei Stunden - selbst Windows XP ist schneller reinstalliert. Originellerweise sind Sound-Anlagen, also letztlich simple Beschallungssysteme, in dieser Zukunft wieder deutlich teurer als heutzutage. Für ein System, das die gigantische, nachgerade verblüffende Fähigkeit hat, den Frequenzbereich von 2 Hertz bis 44 Kilohertz abzubilden, muss der Protagonist ordentlich Geld ("Credits") auf den Tisch legen. Eine Anlage mit beinahe solchen Merkmalen kostet beim Elektrodiscounter um die Ecke heutzutage ein paar Pipperlinge. Geschenkt. "Der wilde Planet" ist nämlich sowieso kein SF-Buch, sondern ein Anwaltsroman, der auch nicht auf einem anderen Planeten spielen müsste, sondern mit der fast gleichen Story irgendwo im Regenwald angesiedelt sein könnte.

Hauptfigur ist der eigenbrötlerische "Prospektor" Jack Holloway, der als Subunternehmer für die ZaraCorp auf einem erdähnlichen Planeten der Klasse III einen Claim nach Bodenschätzen absucht. Sobald so ein Prospektor, von dem es viele gibt, fündig geworden ist, beginnt das Unternehmen mit dem Abbau der Ressourcen, wovon der ansonsten auf eigenes Risiko arbeitende Subunternehmer dann einen kleinen Teil der Erlöse bekommt. Jack hat Glück im Unglück: Bei einer Probesprengung wird zwar ein Erdrutsch verursacht, also eine Form von Umweltzerstörung, die auf der heimatlichen Erde nicht gerne gesehen wird und enorme Kosten für Jack verursachen würde, aber da hierdurch ein ergiebiges Vorkommen der sündhaft teuren "Sonnensteine" freigesetzt wurde, sogar das größte bisher entdeckte, wäre Jack fein raus. Vorsichtig ausgedrückt. Seine Einnahmen könnten im Milliardenbereich liegen, würde er im Baumhaus, das er auf dem "wilden" Planeten bewohnt, nicht eine weitere Entdeckung machen. Dort trifft er auf possierliche, katzenähnliche Wesen, die so intelligent zu sein scheinen, dass man ihnen Bewusstsein und Persönlichkeit attestieren müsste. Wäre das aber der Fall, müsste die ZaraCorp mit der Ausbeutung des Planeten und auch von Jacks Sonnenstein-Mine sofort aufhören, denn ein Planet mit intelligenten Bewohnern wäre nicht mehr in der Klasse III, sondern in IIIa, was bedeutet, dass die Bodenschätze zur Sicherung der weiteren Existenz der Bewohner unangetastet bleiben müssen. Damit gerät nicht nur Jack in eine Zwickmühle.

Die etwas vorhersehbare und schon aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte nicht unbedingt originelle Öko-Gerichtsstory erzählt Scalzi geradlinig, solide und prinzipiell gefällig, hin und wieder wird es sogar amüsant, etwa wenn Holloway, der früher selbst Anwalt war, mit den Firmenanwälten der ZaraCorp aneinandergerät oder seine Auftraggeber mit  teilweise erfundenen Präzedenzfällen unter Druck zu setzen versucht. Allerdings halten sich solche Elemente in Grenzen; den verblüffenden, selbstironischen Humor aus "Krieg der Klone", der letztlich für Scalzis weltweiten Erfolg verantwortlich war, sucht man auch hier wieder vergeblich. Gemeinsam mit einer konventionellen und nicht zuletzt aus Camerons "Avatar" bekannten Story, der es hier völlig an technischen Visionen fehlt, ergibt sich Durchschnittsware, deren etwas stereotypes Personal auch nicht immer überzeugt. Scalzi ist mit seinem Erstling ordentlich gestartet, um bei den Folgeromanen spürbar abzubauen. Mit "Der wilde Planet" hat er sich nun ziemlich weit von den Giganten des Genres (Dan Simmons, Iain Banks, Robert Charles Wilson, Peter F. Hamilton usw.) entfernt. Das Buch ist gerade noch unterhaltsam genug, um nicht zu verärgern, aber unterm Strich so sehr Science Fiction wie irgendein weiterer Thriller aus Grishams Feder. Kann man lesen, muss man aber nicht. Die Botschaft lautet: Besser noch heute eine Stereoanlage kaufen. Ach, und natürlich: Ökosysteme sollte man schützen.

Abschließend eine Bitte an die Verantwortlichen bei Heyne (gilt auch für Goldmann und andere Lizenzverleger im SF-Bereich): LEST doch die Romane mal, bevor Ihr Cover dafür entwerfen lasst. Danke!

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