Vortex. Roman.
Robert Charles Wilson, Heyne 2012


Vortex

Okay, aber nicht sensationell

Vielleicht war es mein eigener Fehler - ich habe für "Vortex" die Lektüre des "Void-Zyklus'" von Peter F. Hamilton unterbrochen. Der Sprung von Hamiltons enorm dichter, figuren- und ideenreicher Space-Opera zu Wilsons doch recht linearem, beinahe klassischen Erzählstil war ein recht großer, und schon die ersten Seiten von "Vortex" lasen sich ernüchternd, fühlten sich wie ein Rückschritt an. Erschwerend kam hinzu, dass ich mich an die chaotische Handlung des lahmen Vorgängers "Axis" kaum erinnerte, außerdem habe ich das Buch nur aus Vollständigkeitsgründen gekauft, zudem eröffnet die Story eher unspektakulär: Eine Psychologin, die in der Nach-Spin-Zeit für die texanische "State Care" arbeitet, eine Art Entsorgungseinrichtung für (Spin-begründet) desorientierte Zeitgenossen aller Art, wird mit einem neuen Fall konfrontiert, einem wirren, dürren Jungen namens Orrin Mathers, aber der Fall wird ihr umgehend wieder entzogen - aus Gründen, die sie nicht versteht. Zugleich tritt ein Police-Officer auf den Plan, der sich mehr als üblich für den eingelieferten Delinquenten interessiert - und auf die Psychologin sofort eine merkwürdige Anziehung ausübt. Während sich die Psychologin und der Polizist annähern, sich aber auch mehr und mehr mit Mathers' Schicksal befassen, wird parallel ein obskurer Text wiedergegeben, den Mathers geschrieben hat, ohne zu wissen, warum eigentlich - eine Art Eingebung oder Offenbarung. Dieser Text spielt in zehntausend Jahren: Turk Finley wurde von den "Hypothetischen", die auch den Spin zu verantworten hatten, in die Zukunft geschickt, und landete auf einem mobilen, riesigen Archipel namens "Vox", mit dem vernetzte Gläubige auf dem Weg zurück auf die alte Erde sind, wo sie, einer Prophezeiung entsprechend, den Hypothetischen begegnen werden. Während Psychologin, Officer und Mathers vor seltsamen Häschern fliehen und den Text zu enträtseln versuchen, wird in der Parallelhandlung davon berichtet, wie jene Reise endet - und damit auch das Rätsel um den Spin und all seine Folgen.

"Vortex", was so viel wie "Wirbel" bedeutet, erzählt leidlich spannend, nicht sehr spektakulär und nach meinem Gefühl etwas steril - gewissermaßen konstruiert, als hätte Wilson die Erklärungsmöglichkeiten geprüft und sich willkürlich für eine entschieden - davon, was Ursache und Wirkung der gesamten Geschichte waren, sind und sein werden, denn am Ende verwirbelt die Erzählung nicht nur beide Handlungen, sondern auch die Zeiten und Dimensionen. Damit entsteht eine leidlich nachvollziehbare Begründung für alles, was zuvor "Spin" und "Axis" ausgemacht hat, aber wirklich beeindruckt hat mich das - im Gegensatz zur Lektüre von "Spin" (vor fünf oder sechs Jahren) - nicht, zumal die Erklärung auch als solche erfolgt und nicht in Handlung eingebunden. Außerdem konnte ich die nicht sehr zwingende Logik einiger Ereignisse nicht immer erkennen, so etwa die Begründung dafür, dass ausgerechnet Orrin Mathers die Parallelgeschichte erzählt. Immerhin aber gelingt es Wilson, die Handlung zu einem Abschluss zu bringen, doch "Vortex" erreicht die Qualität und vor allem Originalität von "Spin" längst nicht. Es gibt fraglos einige sehr interessante und auch spannende Abschnitte, außerdem einen sanft mahnenden Verweis auf das ökologische Schicksal der Erde, aber insgesamt fühlt sich "Vortex" eher nach einem Befreiungsschlag an als nach einem logisch notwendigen Ende, das bereits bei der Planung von "Spin" im Kopf des Autors herumschwirrte. Nicht enttäuschend, aber auch nicht das Gegenteil davon. Okay eben.

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