Robocalypse. Roman.
Daniel H. Wilson, Droemer, September 2011
Pathetischer SF-Trash
Die positiven Eigenschaften dieses Buches und damit die Pflicht vorweg: Das Cover ist im Wortsinn ein Eyecatcher, die Ausstattung ist ansprechend. Einige - wenige - Kapitel lesen sich recht spannend.
Gut, und nun zur Kür. Schon der Buchtitel - Robocalypse - ist ein quälender Neologismus, gebildet natürlich aus "Roboter", einem Begriff, der aus dem Tschechischen stammt und sich von "robota" ableitet, was so viel wie "schwere Arbeit" bedeutet. "Robo" ist aber kein Präfix; das "Kalypse" im griechischstämmigen Wort "Apokalypse" kann noch gutwillig als Suffix bezeichnet werden, da die Vorsilbe "Apo" mehr oder weniger "weg, ab" bedeutet (eine Apotheke ist etymologisch ein Ort zum "Wegstellen" von Dingen, an die nicht einfach jedermann herankommen darf). Die Kombination ist in jedem Fall wenig sinnreich, immerhin ist die Stoßrichtung der unterstellten Bedeutung noch zu verstehen. Geschenkt, Kleinkram. Das neu geschaffene Wort bedeutet jedenfalls letztlich in etwa "Das Verstecken schwerer Arbeit". Schwer zu glauben, dass der Autor dies gemeint haben könnte. Möglich auch, dass er mit der Titelfindung für das Buch nichts zu tun hatte.
Der Roman des Informatikers und Doktors der Robotik Daniel H. Wilson erzählt von einer Zukunft, in der es einem Wissenschaftler gelingt, eine Denkmaschine zu entwickeln, die schlauer als Menschen ist - Archos wird geboren. Das geschieht tatsächlich ein Dutzend Male, immer mit dem gleichen Ergebnis: Die denkende Maschine, obwohl nur mit vergleichsweise geringer Datenbasis ausgestattet, kommt in jeder Inkarnation fast umgehend zur Schlussfolgerung, dass die Menschen Parasiten sind und vernichtet werden müssen. Dreizehn Mal gelingt es dem Forscher, den Apparat gleich wieder zu zerstören, und beim vierzehnten Mal übersieht er eine Datenverbindung, mit der sich der wiedergeborene Archos stantepede ins weltweite Netz einklinkt, um in einem ersten Schritt den fraglichen Wissenschaftler zu meucheln, mit Hilfe der Klimaanlage der Forschungseinrichtung. Die Frage, warum der Entwickler das gleiche Experiment ständig wiederholt hat, bleibt weitgehend unbeantwortet. Das Wort "Archos" leitet sich übrigens auch aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie "Oberhaupt" - wir kennen es alle aus dem Wort "Anarchie" (anarchos), einer Gesellschaftsform ohne Oberhaupt.
Nach dem Prolog, der von Archos' Geburt erzählt, springt Wilson zum Ende der Geschichte und berichtet davon, wie in der Arktis eine Art Datenspeicher gefunden wird. Auf diesem Speicher, der später auch "Helden-Archiv" genannt wird, hat Archos dokumentiert, wie sich die Menschen gegen die hyperintelligente Maschine und den von ihr initiierten Aufstand der Roboter gewehrt haben. Einer jener Helden, ein junger Mann namens Cormack Wallace, wertet das Archiv aus. Was wir lesen, das entspricht dem daraus entstandenen Bericht.
Nunwohl. Wilson skizziert ein Szenario, das natürlich längst bekannt ist und u.a. Produktionen wie "Matrix" und "Terminator" zugrunde lag, um nur jüngere Exponenten zu nennen. Die Idee, dass der Mensch irgendwann etwas kreiert, das intelligenter als er selbst ist und sich quasi folgerichtig gegen ihn wendet, ist also alles andere als neu. Ihr Reiz besteht darin, dass sie eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt: Fast alle Maschinen sind bereits physisch stärker als ihre Schöpfer, weshalb der Schritt auch zur intellektuellen Dominanz nur eine Frage der Zeit zu sein scheint. Dass eine schlauere Spezies zu der Folgerung kommen muss, dass Menschen mehr Schaden anrichten als Nutzwert zu erzeugen, liegt in der Natur der Sache - selbst viele Menschen wissen das längst. Es geht also bei der Bewertung von "Robocalypse" weniger um das Was, sondern um das Wie.
In Wilsons Zukunft gibt es halbintelligente Haushaltsroboter, vernetzte Autos usw. - also das, was ausgehend von der derzeitigen Entwicklung für demnächst zu erwarten ist. Während der Lektüre hatte ich allerdings nicht selten das Gefühl, dass der Roman in der Hauptsache vor einigen Jahren entstanden ist. So gibt es in der Realität längst bewegliche Maschinen, die sehr viel agiler sind als diejenigen in "Robocalypse", aber die im Buch müssen erst noch lernen, Hindernisse zu überwinden, was ein nicht unwesentlicher Aspekt ist. Aber letztlich enthält der Roman so hoffnungslos viele unlogische Aspekte, dass es sinnlos wäre, eine Aufzählung zu beginnen.
Diese ganzen Roboter und Autos und Maschinen nutzt Archos nun, sie steuernd, um die Menschheit zu vernichten. Haushaltsroboter erwürgen ihre "Herrschaften", Sexspielzeuge verbeißen sich in ihre Begattungspartner und so weiter. Ferngelenkte oder sich selbst steuernde Autos überfahren Menschen, Flugzeuge schmieren ab, Robotersoldaten wenden sich gegen ihre Anführer. Millionen Menschen sterben, und die wenigen, die überleben, verstecken sich auf dem Land oder in den Katakomben der Städte. Archos verschleppt Leute in Arbeitslager, und er montiert auch kybernetische Elemente an einige von ihnen. Warum das "Oberhaupt" all das tut, und beispielsweise auch versucht, die Infrastruktur der Städte instandzuhalten (um sie aber später verrotten zu lassen), bleibt unerklärt.
Diejenigen, die sich retten können, schließen sich zu Widerstandsgruppen zusammen. Von der Entstehung dieses Widerstands und seinen Aktivtäten erzählt der Roman hauptsächlich - und in dieser Hauptsache schmiert er eben gewaltig ab. Aus der brauchbaren, wenn auch eben nicht neuen Idee, wird hier - wie so oft bei amerikanischen Autoren - fürchterlich schmieriger, uramerikanischer Helden-Trash. Da ist der coole, intelligente und altruistische Soldat (klingt das nur in meinen Ohren nach einem Widerspruch?), der seine inneren Werte erkennt und sogar den Tod des großen Bruders locker wegsteckt, schließlich muss die Welt gerettet werden. Da sind die Indianer. Da ist ein Japaner, der ganz alleine den Robotern trotzt. Damit man auch versteht, worauf Wilson hinaus will, wird das nicht nur mehrfach explizit erwähnt (von der Katharsis der "Helden" wird zuerst erzählt und dann noch einmal erklärt, was sie bedeutet), nein, am Ende eines jeden Kapitels folgt auch noch ein vor Pathos triefender Kommentar des Soldaten Cormack Wallace. Die Gruppen, die sich bilden, um Archos in einem tumben - und unlogischen - Showdown zu vernichten, nennen sich "Brightboy Squad" oder am Ende, als es dramaturgisch wirklich schlimm wird, "Freeborn Squad".
Was soll ich sagen? "Terminator" trifft auf "Starship Troopers" und "Red Dawn" (deutsch: "Die rote Flut"). Im Ergebnis verschenkt ein Autor, der es besser wissen sollte, nicht nur die Möglichkeit, intelligent auf die Gefahren der Übertechnisierung hinzuweisen, nein, er liefert letztlich pathetischen SF-Trash ab, bei dem aus einer brauchbaren Ausgangssituation lediglich ein Abenteuerbuch für junggebliebene Cowboy-und-Indianer-Spieler aus der George-W.-Bush-Generation geworden ist, die sich auch mental kaum weiterentwickelt haben. Die Geschichte selbst ist fad, plakativ, vorhersehbar, oft unnötig brutal, unausgegoren, ideenarm und im Abgang deshalb unendlich langweilig. Ein weiteres Epos aus der Reihe "Wir lassen uns nicht unterdrücken", wobei letztlich keine große Rolle spielt, ob die Gegner Russen, Alien-Kakerlaken oder, im vorliegenden Fall, Roboter sind.