Der Marsianer. Roman.
Andy Weir, Heyne 2014

Der Marsianer

Die Mensch-Maschine

Mark Watney ist der siebzehnte Mensch, der - im Rahmen der Mission "Ares 3" - den Mars betritt, aber er ist der erste, der dort allein bleibt. Kurz nach der Landung muss die Mission aufgrund eines starken Sandsturms wieder abgebrochen werden, Watney wird verletzt und gerät außer Sicht, seine Biomonitore senden keine Daten mehr, weshalb man seinen Tod annimmt. Während der Rest der Crew zum Trägerschiff "Hermes" zurückkehrt und die Heimreise antritt, schleppt sich der Botaniker und Ingenieur zur rettenden Wohnkuppel und nimmt quasi umgehend das Projekt "Überleben auf dem roten Planeten" auf. Sein Ziel: In vier Jahren mit "Ares 4" heimzukehren. Ausrüstung und Proviant jedoch sind höchstens für ein paar Monate gedacht. Sein größtes Glück: Weil Thanksgiving in den Aufenthalt fiel, haben die NASA-Techniker ein paar Kartoffeln mitgegeben.

Anfangs im Tagebuchstil (als Logbuch), später auch aus anderen Perspektiven erzählt Andy Weir davon, wie es diesem Aufstehmännchen gelingt, alle denkbaren Katastrophen zu überleben, ohne jede Verbindung zur Erde - jedenfalls zunächst - und realistische Erfolgswahrscheinlichkeit. Astronaut Mark Watney ist unermüdlich, höchstgradig erfinderisch und einfach nicht kaputtzukriegen. Er pflanzt, bastelt, repariert, steckt Rückschläge weg, holt sich gar aus einigen hundert Kilometern Entfernung die Reste der "Pathfinder"-Mission (1996) und baut sich ein Funkgerät zur Erde. Und so weiter. Daheim, in den Kontrollzentren, setzt man währenddessen alles daran, ihn heimzuholen, ohne jede Rücksicht auf Kosten und Mühen. Sogar die Chinesen helfen. Und die Welt hält den Atem an.

"Der Marsianer" ist ein originelles und spannendes Buch, jedenfalls ungefähr bis zur Mitte. Andy Weir erläutert die technischen Hintergründe so glaubhaft und realistisch, dass man seinem fast schon stoisch gutgelaunten Mark Watney fast alles abnimmt, was er da so baut, zusammenschraubt und erfindet. Irgendwann jedoch ermüdet das nicht enden wollende MacGyvertum, zumal Watney jedes Mal praktisch schon im Moment der Katastrophe eine Lösung parat hat. Die lebensfeindliche Umgebung wird zur Kulisse eines mehrmonatigen Überlebensspiels, wie sie von burn-out-bedrohten Managern im benachbarten Wäldchen durchgeführt werden.
Nie gibt es auch nur einen Hauch des Zweifels, zu keinem Zeitpunkt bahnen sich Depressionen an, kommen gar Trauer oder Einsamkeit auf - ganz im Gegenteil: Watney kämpft weiter und weiter - er ist kein Mensch, sondern selbst Maschine, muss einfach nur funktionieren, dann wird alles gut. Dadurch verkommt die anfangs sympathische Figur zu einem Comichelden, einer überidealisierten Ikone für alles, was Amerika in der Welt verkörpern will.  Kaum nötig, zu erwähnen, dass der Roman vor allem am Ende ziemlich pathetisch daherkommt.

Die Idee ist, wenn auch nicht ganz neu, doch ziemlich gut, die technische Umsetzung ist nahezu brillant, aber beides nutzt sich leider mit der Zeit ab. Die Frage, ob Watney gerettet werden wird, stellt sich schlicht nie, was dem Buch letztlich die Spannung nimmt. Nur das Wie bleibt noch interessant, wird beim Showdown jedoch redlich übertrieben. Was bleibt, ist ein recht lineares Bastelbuch für Weltraumfaszinierte, reich an technischen Informationen und arm an glaubwürdiger Dramaturgie. Die wenigen Momente, in denen es menschelt, bewegen sich auf Sitcom-Niveau.

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pfeil Übersicht: Tom Liehr

Nachttankstelle

Tom Liehrs aktuelle Veröffentlichung:

NACHTTANKSTELLE.
ROMAN.
rororo, 28. August 2015
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