Froschkönig. Roman.
Adam Davies, Diogenes 2009

Froschkönig

Gefällig, aber mit kleinen Schwächen

Harald "Harry" Driscoll, 26, ist Lektoratsassistent beim New Yorker Verlag "Prestige", lebt gemeinsam mit Myriarden Fruchtfliegen in einer höhlenähnlichen Miniwohnung als Untermieter eines gewalttätigen Irren - und träumt davon, die Traditionen bei "Prestige" zu durchbrechen, indem er als erster bekannter Fall im Haus befördert wird. Das allerdings wird dadurch behindert, dass er bei der Manuskript-Vorauswahl vor allem seinen persönlichen Krieg gegen das Klischee führt, und außerdem hat er den bislang einzigen Text verschlampt, den er eigenverantwortlich lektorieren sollte. Harry hat Hautausschlag, nie Geld  und oft Hunger. Aber er hat außerdem Evie, die hinreißende Kollegin, die ihr Leben mit ihm teilt, sogar eine gefährliche Operation in Kauf genommen hat, um ihm näher sein zu können, und die er rührend umsorgt, vor allem, wenn sich ihre Endometriose mit drastischen Krankheitsschüben meldet: Dann bemuttert er Evie, umschließt sie stundenlang zur "Kanonenkugel", lenkt sie mit "Rapunzel-Geschenken" ab oder leiht Videos mit menschenfressenden Tieren aus, die Evie so liebt. Nur dass er sie liebt, das vermag er nicht zu sagen, weil das ein Klischee wäre. Zudem hat er nach wie vor "Dates", nicht zuletzt mit der deutlich älteren Judith, einer Herausgeberin, die seine Karriere voranbringen könnte.

Das Kernpersonal wird um einige Nebenfiguren ergänzt - eine junge Obdachlose, ein deutscher Kollege, Evies beste Freundin -, aber im Prinzip geht es nur um den chaotischen und eigenwilligen Harry, der mit seiner originellen, jedoch kontraproduktiven Weltsicht aktiv daran arbeitet, keinen Schritt voranzukommen, eher im Gegenteil. Folgerichtig stehen gleich mehrere Katastrophen ins Haus.

Davies erzählt launig, mit einem guten Gefühl für lebensechte Dialoge, viel Witz und Situationskomik, allerdings auch relativ vorhersehbar und unter Verwendung bekannter, deshalb wenig origineller Versatzstücke. Zuweilen gibt sich der Roman anstrengend, weil er überbemüht anstehenden Entwicklungen ausweicht, und nicht alle Ereignisse empfand ich als nachvollziehbar. Dem flockigen Stil gelingt es auch nicht ganz, die Unnahbarkeit der Hauptfigur auszugleichen, die mir ohnehin im Verlauf der Lektüre immer unglaubwürdiger erschien. Der Blick auf die Eigenarten der Verlagsbranche jedoch ist exzellent gelungen.

"Froschkönig" ist das literarische Debüt von Adam Davies und wurde 2002 publiziert, derzeit läuft die Verfilmung nach einem Drehbuch, das kein geringerer als "American Psycho" Bret Easton Ellis verfasst hat. Was übrigens nur konsequent ist, denn die Dramaturgie des Romans zielt hierauf direkt ab. Das Buch hat Elemente von "Bridget Jones", erinnert aber auch an die Romane von Jonathan Tropper. Eine amüsante und gelegentlich sehr interessante, gefällig aufgebaute Geschichte mit kleinen Schwächen bei Plot und Figurenzeichnung - jedoch durchaus unterhaltsam, wenn man hiervon absieht.

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