Die Wespenfabrik. Roman.
Ian Banks, Milena 2011

Die Wespenfabrik

Der im Jahr 2013 verstorbene Autor, der mit seinen späteren Science-Fiction-Romanen aus dem "Kultur"-Universum international bekannt und erfolgreich wurde, legte im Jahr 1984 mit "Die Wespenfabrik" sein Debüt vor. Der österreichische Milena-Verlag hat diesen Roman in einer sehr gelungenen Hardcover-Ausstattung im Jahr 2011 wiederveröffentlicht, nachdem die deutschen Ausgaben schon seit Jahren vergriffen waren.

Held und Ich-Erzähler ist der sechzehnjährige Frank, der mit seinem Vater auf einer kleinen Insel lebt, die aber über eine Landbrücke mit dem britischen Festland verbunden ist. Frank kann über die Gestaltung seiner Tagesabläufe weitgehend selbst entscheiden. Das Verhältnis zum Vater ist vergleichsweise lässig und gleichsam ... beobachtend. In die bevorzugt abendlichen Gespräche flechtet der Vater Fragen nach Größen und Volumina beliebiger Haushaltsgegenstände ein, die Frank möglichst originell zu beantworten versucht, aber dieses Motiv versandt später leider.
Frank, von dem niemand wissen darf, dass er permanent auf der Insel lebt, weil er offiziell nicht existiert, also seine Geburt nie gemeldet wurde, ist fast unaufhörlich mit Ausflügen über die Insel und seltsamen Ritualen beschäftigt. Er hat in den Dünen diverse Fallen aufgestellt, es gibt Totempfähle, die mit Tierköpfen geschmückt sind, einen Bunker, in dem Frank einen obskuren Altar hergerichtet hat, und auf dem Dachboden des Hauses, für den gehbehinderten Vater unerreichbar, die titelgebende Wespenfabrik. Dabei handelt es sich um ein ausgeklügeltes Konstrukt aus Gängen, Fallen, Tunneln und Mechanismen, in das Frank Wespen setzt, deren Verhalten die Wirkung eines Orakels hat.

Neben jenem um Franks Existenz gibt ein weiteres Geheimnis: Der Junge hat bereits drei Morde begangen. Außerdem hatte er als Kind einen folgenschweren Unfall.
Und außerdem ist da noch Franks Bruder Eric, der soeben aus einer psychiatrischen Anstalt ausgebrochen und auf dem Weg in die Heimat ist. Die abendlichen und sehr abenteuerlichen Telefonate mit Eric stellen ein wesentliches wiederkehrendes Element des Romans dar, der nebenher nach und nach die Geschichte der seltsamen Familie offenbart.

Auch dreißig Jahre nach der Erstveröffentlichung ist "Die Wespenfabrik" noch ein sehr bemerkenswertes, eigenartiges, spannendes, störrisches, vor allem aber vortrefflich geschriebenes Buch. Die Handlung verläuft zwar relativ linear, aber es sind auch Weltsicht und Geschichte ihres Protagonisten, die den Kern der Angelegenheit ausmachen - die nichts für zartbesaitete Gemüter ist, denn subtile wie auch weniger subtile, drastische Gewalt spielen große Rollen. Ohnehin ein Muss für jeden Banks-Fan, aber auch interessante Lektüre für Menschen, die an zeitgenössischer Literatur interessiert sind, die ganz ohne herkömmliche Pro-/Antagonistenstrukturen und Happy-Ends auskommt.

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