Straight White Male. Roman.
John Niven, Heyne 2014

Straight White Man

Leider ein bisschen belanglos

Der gebürtige Ire Kennedy Marr ist Mitte vierzig und arbeitet in L.A. sehr erfolgreich als Drehbuchautor. Als ehemals jüngster Autor auf der Shortlist für den Booker Price schien seine Karriere zwar zunächst in eine andere Richtung zu verlaufen, aber das Filmbusiness bringt einfach mehr Geld ein. Folgerichtig liegt seine letzte Romanveröffentlichung Jahre zurück.
Marr ist ein Lebemann. Er liebt den Luxus, isst gerne sehr gut, trinkt reichlich und hat mehr Sex als ein Bonobo. Seine Beziehungen überleben die Nacht meist nicht.
Aber Marr ist in Geldnot, obwohl er exzellent verdient - das Finanzamt sitzt ihm im Nacken. Entweder muss er jetzt also endlich wieder einen Roman schreiben, wofür er zwar hohe Vorschüsse bekäme, was ihm aber zu anstrengend ist, oder den hochdotierten britischen Literaturpreis annehmen, der ihm offeriert wird. Die Offerte hat allerdings einen Pferdefuß: Sie ist mit einer Dozentenstelle verbunden, ausgerechnet an der britischen Universität, an der auch Marrs Exfrau Millie lehrt. Für ein Dreivierteljahr müsste der Ire in die "erweiterte" Heimat zurückkehren, was mehr als nur eine Reise in die Vergangenheit wäre, denn Marrs Mutter liegt dort im Sterben.

"Straight White Male" ist ein durchaus unterhaltsames Buch, oft vergleichsweise provokant, überwiegend auf nassforsche Art fröhlich, manchmal spannend und immer wieder durchsetzt von interessanten Weisheiten über den Literaturbetrieb und das Filmbusiness. Die Hauptfigur allerdings weiß nicht so recht zu überzeugen. Es macht zwar Spaß, ihr zuzuhören, wenn sie beispielsweise den verknöcherten Fachbereichsleiter für Literatur in originellen Dialogen in die Schranken verweist, aber der offensichtlich und sehr plakativ angelegte Konflikt bremst dieses Vergnügen leider etwas aus. Kennedy Marr ist eine lineare Figur, deren Klugheit dem eigenen Verhalten häufig widerspricht. Die Handlung des Romans, obwohl mit einigen Kapriolen und Überraschungen durchsetzt, verläuft ebenso geradlinig, und das Ende ist - leider - ziemlich müde. Wie bei einer kitschigen Weihnachtsgeschichte.

Nivens neuestes Werk - es ist das fünfte, wenn ich richtig zähle - verfügt zwar über alle Komponenten, die ein gutes Buch ausmachen, und enthält einige sehr vergnügliche Szenen, zudem ein paar Aphorismen, die man ausdrucken und Nachwuchsautoren an (besser: auf) den Bildschirm kleben müsste, aber im Abgang wirkt er leider ein bisschen belanglos, weil die früh formulierte Prämisse ohne Umwege konsequent erfüllt wird, die Handlung also nie mehr als einen Halbschritt beiseite macht. Die guten Detailideen, die wunderbaren Seitenhiebe und die lässige Schnoddrigkeit, mit der Marr seinen maßlosen Lebensstil durchsetzt, gleichen das allerdings fast wieder aus. Bleibt ein recht lesbares (offenbar autobiographisches) Buch ohne große Nachhaltigkeit.

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