Der Sound meines Lebens. Roman.
Jonathan Tropper, Droemer HC, 2014


Der Sound meines Lebens

Charts-Pop

Silver ist Mitte vierzig und lebt in der abgerissenen Appartmentanlage "Versailles", zusammen mit anderen Mitvierzigern, die - wie er - gescheiterte Ehen hinter sich haben und auf neue Chancen hoffen, ohne etwas dafür zu tun. Silver war mal der Schlagzeuger einer erfolgreichen Rockband, die sich aber aufgelöst hat, weil der Frontmann Solowege ging, seitdem spielt er bei Bar-Mitzwas und Hochzeiten. Eine solche steht demnächst an, denn seine Exfrau Denise will ihren neuen Freund Rich heiraten.

Kurz davor wird bei Silver ein lebensbedrohliches Aneurysma an der Herzarterie diagnostiziert, ausgerechnet von seinem potentiellen Nachfolger als Ehemann von Denise. Silver blickt auf sein Leben und stellt fest, dass es wertlos ist, also beschließt er, sich nicht operieren zu lassen, sondern demnächst zu sterben. Ein paar Dinge - der Roman heißt im Original "One Last Thing Before I Go" - will er aber noch tun, zum Beispiel ein besserer Vater werden (seine achtzehnjährige Tochter Casey ist ungewollt schwanger) und sich verlieben.

Jonathan Tropper wiederholt sein Konzept: Ein liebenswerter Underdog mit leicht verschrobener Weltsicht wird mit einer Grenzsituation konfrontiert, weshalb er sein Leben überdenkt. Das funktionierte exzellent in "Der Stadtfeind Nr. 1", ganz gut in "Zeit für Plan B", eher nicht so perfekt in "Mein fast perfektes Leben" und absolut hervorragend im Vorgänger des aktuellen Romans, "Sieben verdammt lange Tage". "Der Sound meines Lebens" allerdings hat mich weniger überzeugt. Das liegt vor allem daran, dass Silvers Entscheidung an keiner Stelle nachvollziehbar wird, wie Tropper wohl auch bemerkt hat, denn er versucht unaufhörlich, diese Entscheidung zu begründen, was gründlich misslingt. Überhaupt hapert es an der Glaubwürdigkeit seiner Hauptfigur, in der man vergeblich nach Gründen für den tiefen Absturz sucht. Diesem Umstand und der doch recht vorhersehbaren Dramaturgie trägt der Autor dadurch Rechnung, dass er den Roman mehr oder weniger offen enden lässt, was mich schlicht geärgert hat, aber vermutlich hätte mich ein Friede-Freude-Eierkuchen-Ende noch mehr geärgert.

Liebenswürdig und witzig wird "Der Sound meines Lebens" an den Stellen, an denen Silver - offenbar als Folge der Erkrankung - seine Gedanken munter ausplappert, ohne das zu merken. Aber das lenkt höchstens ein bisschen davon ab, dass die Figuren sehr oberflächlich und klischeehaft gezeichnet sind, praktisch unaufhörlich weinen und sich in etwas ermüdenden Dialogen ständig das gleiche sagen. Dem Roman fehlen Originalität und Drive; er ist wie ein ganz guter, aber schnell vergessener Popsong, der es in die Charts geschafft hat, ohne dort oder in den Ohren (gar den Herzen) der Hörer lange zu verweilen. Im Vergleich zum Vorgänger ein deutlicher Rückschritt.

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