John Scalzi: Redshirts (Heyne)

Redshirts

Witzige Idee, die leider keinen Roman trägt

Warum fliegen Raumschiffe in TV-Serien nicht lautlos, obwohl im luftleeren Raum keine Schallübertragung möglich ist? Warum kann der Hauptbildschirm auf der Kommandobrücke selbst kleinste Gegenstände, die sich in fantastischer Entfernung befinden, noch in detaillierter Vergrößerung zeigen, aber innerhalb der Schiffe hat offenbar niemand simple Videokameras installiert? Warum muss der Fähnrich mit seinem Datendings in die Kapitänskabine marschieren, statt einfach die interessante Auswertung auf das Datendings des Kapitäns zu übertragen, was heutzutage jedes Billig-Smartphone beherrscht? Wie kann der kommandierende Offizier der Meinung sein, es wäre eine "gute Idee", in der Bedrohungssituation beispielsweise eine "statische Warpschale um das Schiff zu legen", obwohl er kein Wissenschaftler ist? Und warum zur Hölle stirbt bei jedem Außeneinsatz mindestens ein Besatzungsmitglied - meistens ein bedeutungsloses, das vor dieser Folge nie zu sehen war?

All dieser Unsinn hat einen einfachen Grund: Dramaturgie. SF-Serien wären sehr viel langweiliger, würde man nichts hören, während das Schiff die Galaxis durchquert, würde man auf der Brücke einfach auf Kommando sehen, was im Maschinenraum Sache ist, statt durch das halbe Schiff zu rennen, hätte der Kapitän jede relevante Information im Blick und würde außerdem den Fachleuten Entscheidungen überlassen. Und die Besatzungsmitglieder, die bei Außeneinsätzen sterben - na ja. Das nennt man wohl "Action". Jede einzelne Folge muss spannend sein, die gesamte Serie aber auch. Dieses Korsett zwingt die Autoren zu obskuren Entscheidungen, die mit Physik und Logik nicht immer in Einklang zu bringen sind. Dass die Technik an Bord teilweise utopisch ist, andererseits aber aktueller Alltagstechnik ziemlich ähnelt, hat ebenfalls hier seine Ursache. Dass die Serien schon ein paar Jahre nach der Erstausstrahlung dadurch anachronistisch wirken, spielt während der Produktion schließlich keine Rolle.

Andy Dahl ist eines der neuen Besatzungsmitglieder, die auf die "Entrepid" kommen, das Flaggschiff der "Universalen Union", meistens auf Erkundungsfahrten unterwegs, wie die legendäre NCC 1701 "Enterprise". Schon bei der Ankunft bemerkt Dahl seltsame Phänomene: Wenn die berühmten Führungsoffiziere (von denen einer bei Außeneinsätzen immer schwer verletzt wird, um aber schon eine Woche später wieder gesundet auf der Matte zu stehen) das verblüffend stark bevölkerte Schiff durchqueren, teilt sich die wuselige Menschenmenge vor ihnen, als würden alle dieser Offiziers-Bugwelle ausweichen. Als er seinen Dienst im Labor für Xenobiologie antritt, stellt Dahl außerdem fest, dass sämtliche Kollegen plötzlich zu wichtigen Aufgaben verschwinden, kurz bevor ein Offizier ins Labor kommt. Die Erklärung hierfür ist einfach: Keiner will auf Außeneinsätze, man hat Vorkehrungen getroffen. Denn dabei stirbt immer mindestens ein Besatzungsmitglied, meistens ein Neuling, und niemand will dieses "Redshirt" sein, das verreckt, weil wieder einmal sinnlose - aber spannende - Risiken eingegangen werden oder wesentliche Informationen erst nachträglich eintrudeln. Gemeinsam mit anderen Neulingen findet Dahl alsbald heraus, dass dieses Geschehen, das auf keinem anderen Schiff der Flotte nachvollziehbar ist, System zu haben scheint. Und auch die Ursache hierfür ist schnell ermittelt: All das hier ist nicht immer sinnvoll, sondern folgt hauptsächlich "der Story". Die "Entrepid" existiert zwar, aber nur deshalb, weil das Schiff Schauplatz der mäßig erfolgreichen TV-Serie "Die Abenteuer der Entrepid" ist, die knapp 400 Jahre zuvor im Kabelfernsehen läuft. Der einzige Weg, um den unausweichlich erscheinenden, eigenen Unfalltod bei einem Außeneinsatz zu umgehen, wäre jener, in die Vergangenheit zu reisen, um die Serie zu stoppen - möglichst, ohne alle Figuren umzubringen.

Tja, nun. Das klingt möglicherweise nach einer witzigen Idee, und es ist streckenweise tatsächlich witzig - vorausgesetzt, man kennt die Hintergründe und Referenzen, eben beispielsweise "Star Trek". Etwa, wenn Andy Dahl mit den diversen Gerätschaften an Bord konfrontiert wird, die exakt in der Frist komplexe Aufgaben lösen (Gegenmittel für Alienviren finden usw.), ohne dass irgendwer wüsste, wie zur Hölle sie das genau tun. Oder mit Apparaturen, die sich mit nur wenigen Fingertippern und in Windeseile so umprogrammieren lassen, dass sie plötzlich die irrsten Dinge schaffen - beispielsweise Tachyonenimpulse über die Sensorenphalanx emittieren. Oder wenn er bemerkt, dass die aktuelle Folge der Serie offenbar in einer Werbepause angelangt ist, weil alle Beteiligten plötzlich sehr viel entspannter agieren - und auch deutlich vernünftiger sind. Originell und teilweise wirklich sehr komisch sind die Dialoge, die sich aus all dem ergeben, aber die vorausgehende Idee ist eben nur recht witzig und nicht wirklich sehr komisch - oder gar als Romangerüst tragfähig. Das Buch beginnt folgerichtig furios und macht anfangs großen Spaß, aber was dann folgt, nämlich der Versuch, die dünne Idee auf über 400 großzügig gesetzte Seiten auszudehnen, ist leider nicht sehr überzeugend umgesetzt. Die eigentliche Handlung endet nach zwei Dritteln, anschließend beleuchtet Scalzi das Geschehen abermals aus drei anderen Perspektiven, ohne jeden weiteren Erkenntnisgewinn, aber immerhin mit offenkundig großem Spaß an der Sache. Und genau das rettet auch "Redshirts" knapp über die Kante der Entsorgungstonne. Diese mäßig lustige Satire auf SF-Fernsehserien ist sehr liebevoll angelegt, aber frühestens mit der Enthüllung der "Hintergründe" versandet das Ganze und wird zu einem mäßig unterhaltsamen Spielchen mit Zeit- und Wahrnehmungsebenen - und natürlich den Klischees und Konventionen des Genres. Selbst das prinzipiell amüsante Dilemma des betroffenen Drehbuchautors verreckt auf vorhersehbare Weise, weil die dürftige Idee keine Alternativen zulässt, ohne das Kaninchen aus dem Zaubererhut zu bemühen.

Was also haben wir hier? Im Prinzip ist es Fan-Fiction auf satirischer Ebene, aber das hat Dean Parisot mit seiner Filmpersiflage "Galaxy Quest" lange vorher (nämlich 1999) und sehr viel besser hinbekommen. Zudem dürfte es jeden echten Fan auch eher verärgern, denn als solcher weiß man natürlich, dass Raumschiffe nicht zu hören wären, während sie durch die Galaxis knattern, und dass jeder Besatzungsstatist, der nur ein einziges Wort sprechen darf, definitiv in dieser Folge stirbt, und wir lieben die Serien trotzdem. Eigentlich sogar: genau deshalb. Weil man punktgenau vorhersagen konnte: "Du stirbst!", sobald ein rotbehemdeter Fähnrich seinen ersten, einzigen und letzten Satz in der Serie sprach. Diesen Witz aber muss uns niemand erklären, zudem hat das u.a. Michael Mittermeier in seinem ersten Comedyprogramm "Zapped" (1996) bereits ausführlich getan.

Bleibt ein schnell gelesenes, etwas substanzarmes Buch, dem man während der Lektüre zunehmend wünscht, es wäre besser nie geschrieben worden. So, wie die faden Scripte zu "Die Abenteuer der Entrepid". Aber für beides ist es leider zu spät. Oder wird es zu spät gewesen sein. Je nachdem.

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