Punk is Dad. Roman.
Roddy Doyle, Haffmans & Tolkemitt 2014

Punk is Dad

Liebenswürdig - aber auch routiniert und vorhersehbar

Jimmy Rabbitte, der Mann, der in den Achtzigern die "Commitments" zusammengecastet und gemanagt hat, ist inzwischen Mitte vierzig, hat vier Kinder und lebt in einem Vorort von Dublin. Die mit seiner Frau Aoife gegründete Firma "Shitrock" hat er verkauft, ist aber noch ihr Co-Chef: "Shitrock" reanimiert alte Bands und sorgt für deren späte Vermarktung. Das funktioniert recht gut, aber in Europa tobt die Wirtschaftskrise, die von amerikanischen Immobilienfonds ausgelöst worden ist. Außerdem kaufen die Kids keine Musik mehr.
Dann bekommt Jimmy die Diagnose: Darmkrebs. Achtzig Prozent seines Darmtrakts müssen operativ entfernt werden, danach gibt es Chemo. 

Es ist der vierte Roman um Jimmy Rabbitte (allerdings mein erster), der immer noch die Lyrics vieler Songs auswendig kann, "Celtic Rock" verabscheut, auf amüsant-distanzierte Weise mit seinen Kindern umgeht und die Zukunft fürchtet, obwohl er nicht so recht zu wissen scheint, was das ist - Zukunft. Er hat nach wie vor einen exzellenten Riecher für Trends und abseitige Entwicklungen, aber er hat auch die Verantwortung abgegeben, außerdem steht er vor der nicht eben unwahrscheinlichen Möglichkeit, dass sein Leben sehr bald enden wird. Er trifft  Outspan, den ehemaligen Rhythmusgitarristen der Commitments, und Imelda Quirk, die seinerzeit Background-Sängerin war, und in die damals alle verliebt waren. Outspan ist noch schlimmer dran, hat Lungenkrebs im Endstadium. Mit Imelda beginnt Jimmy eine Affäre.

Das Wortspiel des Titels ist zwar hübsch, hat aber mit dem Roman wenig zu tun, denn es geht nicht um die Sicht der Kinder und erst recht nicht um Punk. Es geht um Musik, Freundschaft, das Leben, die Liebe. Um Männer in den mittleren Jahren, um Ängste und den Tod. Und die Fähigkeit, sich immer wieder selbst zu überraschen.

Doyles Schreibstil muss man allerdings mögen. Seine Stärke sind authentische Dialoge, die sich über mehrere Seiten spinnen, wobei man sich zuweilen sehr konzentrieren muss, um im Blick zu behalten, wer da was sagt. Diese ruppige und zugleich sehr liebenswürdige Art, auf die sich Doyles Figuren unterhalten - oder unentwegt "simsen" -, steht den etwas abgehackt wirkenden Erzählpassagen gegenüber, die hin und wieder etwas irritierend die Perspektive wechseln. Doyle ist fraglos kein großer Stilist, hat aber ein fast schon geniales Gefühl für das gesprochene Wort - und er scheint seine Figuren über alles zu lieben. Das macht den Reiz der Geschichte aus, obwohl damit auch die Gewissheit einhergeht, dass letztlich alles gut enden wird. Und das tut es auch, mehr oder weniger.

"Punk is Dad" gehört vielleicht nicht zu den Highlights der zeitgenössischen Literatur, verbindet aber auf angenehme und liebenswürdige Weise Nostalgie mit gegenwärtigen Fragen, verleiht der eigenen Musikgeschichte Persönlichkeit - und erzählt von interessanten Leuten. Verbunden mit dem sehr selbstironischen irischen Humor ergibt das einen angenehmen und sehr lesenswerten, wenn auch recht vorhersehbaren Roman.

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pfeil Übersicht: Tom Liehr

Nachttankstelle

Tom Liehrs aktuelle Veröffentlichung:

NACHTTANKSTELLE.
ROMAN.
rororo, 28. August 2015
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