Pokorny lacht. Roman.
Frank Goosen, Eichborn Verlag 3003
(auch als Hörbuch, vom Autor selbst gesprochen)
Gut zwei Jahre nach seinem Debüterfolg "Liegen lernen" hat Frank Goosen, ehemaliger Kabarettist aus dem Ruhrgebiet, seinen zweiten Roman herausgebracht. Den Einband ziert ein rosa-silbriger Cadillac, der im Buch immer wieder auftaucht. Das Wunderauto, das die Phantasie des jugendlichen Friedrich Pokorny so beschäftigt, steht auf dem Autoschrottplatz seines Vaters, dem "Klüngelkerl", wie ihn die Wirtschaftswundernachbarn verächtlich nennen. Kein leichter Stand für den Jungen: Die Mutter früh an Gehirntumor gestorben, der Vater ein verschlossener Geizkragen, die Mitschüler gegen ihn. Bis er Thomas Zacher kennenlernt, der ihn bei einer Prügelei zu Hilfe kommt. Auch Zacher ist ein Außenseiter: Mutter Alkoholikerin, Vater unbekannt- in den Augen der braven Bürger schlicht "asozial". Eine wechselvolle Freundschaft beginnt, die mit einer Fahrt im "Cäddy" anfängt und dort drei Jahrzehnte später endet...
Der Roman beginnt in der Gegenwart. Pokorny, der wie der Autor Kabarettist ist, kommt von einer Tournee zurück und findet eine Einladung von Zacher vor, von dem er seit Jahren nichts mehr gehört hatte. Dann beginnt die Rückblende aus Friedrichs Sicht: Kindheit und Jugend, zunehmende Rivalität zwischen den beiden Freunden bis hin zum Bruch. Hier finden sich die stärksten Passagen des Buches, die den Leser schnell in die Handlung hineinziehen: Treffende Milieuschilderungen des kleinbürgerlichen Lebens in den 60er/70er Jahren, flüssige und pointierte Erzählung und Dialoge, tragikomische Zwischentöne. Die beiden Männer werden lakonisch, aber eindringlich charakterisiert, zwischen den Zeilen ahnt der Leser bald die Krise. Zunächst scheinen beide durch ihr soziales Abseits untrennbar verbunden. Beide haben ihre Strategien, mit der Umwelt klarzukommen. Während Friedrich sich stets hinter flotten Sprüchen versteckt, verschafft sich Thomas durch schulische Glanzleistungen Respekt. Doch Letzterer hat mehr Erfolg bei den Frauen. Zum Bruch kommt es, als sich beide während des Studiums in die charismatische Ellen verlieben. Als Ellen schwanger wird, glaubt Friedrich, der Vater zu sein- und endlich gegenüber Thomas auftrumpfen zu können. Doch sie wird, zwischen beiden auf der Straße stehend, von einem Auto getötet. Ende der Beziehung zwischen den Männern, die sich gegenseitig die Schuld geben...
Der nun folgende zweite Teil wirkt auf mich etwas zu konstruiert. Friedrich besucht also Thomas, der ist inzwischen Anwalt und hat seine Frau nur geheiratet, weil sie eine jugendliche Tochter hat, die aussieht wie jene große Liebe Ellen. (Hier lugt ein bißchen zu offensichtlich der gute, alte Humbert aus Nabokovs Lolita um die Ecke.)Weder Pokorny noch Zacher konnten sich je von Ellen lösen- und machen nun die etwas naive Kristina zum Spielball ihrer unbewältigten Gefühle. Zwei thirty-something-Männer und ihre Lebenskrisen: scheinbar erwachsen, treiben sie nun wieder ein Spiel wie zwei Schuljungen, Rauferei inbegriffen. Das kippt bisweilen in allzu heftige Psychodramatik ab, und man bekommt den Eindruck, der Autor hat sich beim Bemühen, einen nachdenklich-melancholischen Roman zu schreiben, übernommen. Einiges wirkt unglaubwürdig und bemüht tiefgründelnd. Erst zum verhalten optimistischen Ende kehrt Goosen wieder zu jener Balance zwischen Abgrund und Leichtigkeit zurück, die den ersten Teil so intensiv prägte.
Empfohlen wird auch das Hörbuch mit der Original- Ruhrpott-Stimme des Autors.