Die Nachrichten. Roman.
Alexander Osang, Fischer TB, 2002

(Auch als Audiobook, gesprochen von Jan Josef Liefers)


Alexander Osang ist Journalist aus Berlin und wurde Anfang der Neunziger bekannt durch seine Reportagen aus dem Nachwende-Alltag. Mit "Die Nachrichten" wagt er sich nun an einen Roman und wählt dafür ein Reizthema: Die Stasi- Verwicklungen prominenter Ostdeutscher. Seine Hauptfigur Jan Landers ist ein Ossi, der es geschafft hat, im Westen anzukommen- glaubt er zumindest. Er hat Karriere gemacht als Nachrichtensprecher und soll demnächst sogar zum Chef der Tagesthemen befördert werden. Doch da kursieren auf einmal Gerüchte, er sei Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen. Geheimnisvolle Anrufe warnen ihn, Akten verschwinden aus der Gauck-Behörde, und zwei sensationsgeile Journalisten, die ein fettes Ding wittern, schnüffeln hinter ihm her. Jan, der sich zunächst an nichts erinnert, fährt zurück nach Ost-Berlin und sucht die Spuren seiner Vergangenheit, die er eigentlich loswerden wollte. Eine Reise voller Niederlagen: Eltern, Exfrau, Tochter, ehemalige Freunde und Kollegen sind ihm fremd geworden, wo immer er hinkommt, sieht er kleinbürgerlichen Muff, Tristesse und Langeweile, und Aufschluß über seine angebliche IM-Tätigkeit kann ihm zunächst auch niemand geben ...
Osangs Stärken sind zweifellos die genaue Beobachtung von Menschen, Milieus und Situationen, ausgefeilte Recherche und ein flüssiger Erzählstil. Figuren werden sorgfältig aufgebaut, Hintergründe durchleuchtet, und manche Szenen entbehren nicht einer gewissen Skurrilität- z.B. wenn Jan unversehens in ein Komitee für "Opfer der Stasi-Hatz" voll alter SED-Kämpen hineingerät. All diese Episoden lesen sich locker runter, und doch bleibt am Ende das Gefühl, es funktioniert nicht so recht, etwas fehlt. Das mag daran liegen, daß es eben Episoden bleiben, die sich nicht zu einem Ganzen zusammenfügen wollen.. Der Roman zerfällt immer wieder, man hat oft Schwierigkeiten, den "roten Faden" wiederzufinden. Die Frage nach Landers möglicher Schuld tritt mehr und mehr zurück und verpufft am Ende. Der Autor, der sich konsequent auf die Seite seines Helden stellt, verrät ihn nicht- das merkt der Leser schon früh. Statt dessen wird zur Hauptfrage: Wer ist der geheimnisvolle Informant und was treibt ihn an? Dadurch driftet die Handlung weg von der Hauptfigur Jan Landers. Der Leser irrt zwischen einer Fülle von Nebenfiguren und -Schauplätzen hin und her, die bei aller treffender Milieubeobachtung, eher verwirren. Der Stasi-Verdacht ist ein zu schwaches Gerüst, das die Handlung nicht wirklich trägt. Man hat den Eindruck, der Autor hat da zu viel hineingestopft, wollte einen möglichst facettenreichen Nachwenderoman schreiben und gleichzeitig seine eigene Loslösung von Trabi-Land, von der Ödnis der Plattenbauvorstädte, vom Mief der Ostzigaretten und vom schlechten Geschmack der Kunstlederjackenträger dokumentieren. Herausgekommen ist dabei ein Werk, das sich nicht entscheiden kann, ob es nun DDR-Bewältigung, Postwende- Gesellschaftskritik oder Entwicklungsroman sein will.

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