Dies ist kein Liebeslied. Roman.
Karen Duve, Eichborn Verlag 2002

(auch als Audiobook, gesprochen von Nina Petri)

Nein, ein Liebeslied ist das nicht und auch kein Liebesroman. Wer Karen Duves Matsch-und Modder-Bestseller "Regenroman" kennt, der weiß, daß er von dieser Autorin keine netten Geschichten erwarten darf. Sie schont weder Leser noch Figuren. Auch Anne, die Ich- Erzählerin des neuen Romans, ist nicht gerade vom Glück gesegnet. Während eines Fluges nach London, wo sie noch einmal ihre unerwiderte Jugendliebe Peter treffen will, reflektiert und räsoniert sie über ihre Kindheit und Jugend in einer Hamburger Vorstadt. Ein kleinkariertes, liebloses Elternhaus, in dem sie um die Anerkennung bei den Eltern ringen mußte, der Kinderfreund Axel, mit dem sie vom Rasenmäher zerfetzte Frösche mittels Tesafilm wieder zusammenzusetzen versuchte. Später die Qualen der Schulzeit und Pubertät, mißlungene Lieben, Eßstörungen. Trotzige Versuche, sich zu behaupten, Arbeit als Taxifahrerin, Übergewicht, Therapiegruppen. Und am Ende dieser ignorante Peter, der sie in der Eingangshalle seiner Firma einfach stehen läßt, da er Besseres zu tun hat als sich mit ihr zu treffen. Da ist nichts und niemand, der Anne rettet- die Männer sind unfähig und küssen schlecht, und auch der kumpelhaft-flotte Therapeut ist letztendlich ein Egomane, dem sein Kaffee wichtiger ist als die Patientin. Kein Lichtblick nirgends im Leben dieser Looserin, Ziemlich harter Stoff, der leicht in Larmoyanz oder Psychokitsch abgleiten könnte, wäre da nicht Karen Duves wunderbares Erzähltalent. Die Leichtigkeit des Erzähltons, der trockene, oft bitterböse Humor und ihr Hang zu absurder Situationskomik kontrastieren mit dem eher düsteren Hintergrund. Die stärksten Szenen sind die aus der Schulzeit. So manche/r Leser/in wird sich wiederfinden in diesen alltäglichen Höllen eines Teenagerdaseins. Sei es nun im Sportunterricht oder auf den Parties, wo man die ersten Küsse tauscht- da ist nichts, was nicht danebengehen könnte. Anne ist uns durchaus menschlich nahe, hinter all ihrem Trotz und Sarkasmus und unter all ihren Fettschichten ahnen wir ihre Verletzlichkeit. Und so hätte man ihr doch zum Schluß etwas mehr Glück und Selbstbewußtsein gewünscht. Das Ende fand ich schwer verdaulich- vermutlich bin ich zu altfeministisch gepolt <g>. Konnte sich Martina, die weibliche Hauptfigur im "Regenroman" am Schluß noch in einem symbolischen Akt von ihrem Trauma befreien, so bleibt Anne in ihrem Fatalismus gefangen- und die Leserin etwas ratlos zurück.
Der "Regenroman" ist in sich abgerundeter und stimmiger, doch auch in diesem zweiten Buch behauptet sich Karen Duve souverän als eine der besten und interessantesten deutschen Autorinnen mit ihrer Mischung aus Witz, Abgründigkeit und Melancholie.

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