Gabriels Gabe. Roman.
Hanif Kureishi, Kindler Verlag 2001
(demnächst auch als Taschenbuch)
Früher waren Eltern Autoritäten, gegen die man sich als Jugendlicher auflehnen konnte. Doch was machen die Kinder heute, wenn die Mom und Dad allerhöchstens liebenswert-verschrobene Althippies sind, die den Anschluß an die Gegenwart verpaßt haben? Das Szenario erinnert an Nick Hornbys "About a boy". Auch Gabriel, der fünfzehnjährige Held in Kureishis Roman, merkt irgendwann, daß er auf seine Eltern nicht mehr bauen kann. Der Vater Rex lebt mehr in den glorreichen Sechzigern, als er noch mit der Band des Rockstars Lester Jones durch die Welt zog. Christine, die Mutter, die einst die schrillen Klamotten für die Band schneiderte, schlägt sich recht und schlecht als Kellnerin durch. Als sie den Alten, der nur noch mit gescheiterten Künstlern in Billardkneipen abhängt, rauswirft, ist der Junge erst mal auf sich selbst gestellt. Seine "Gabe", sein großes Zeichentalent, dient ihm als Refugium in der chaotischen Welt der Erwachsenen, öffnet ihm aber gleichzeitig neue Perspektiven. Als er Vaters Idol Lester Jones kennenlernt, der ebenfalls gerne malt, fühlt er sich bestätigt. Jones erkennt sein Talent, ermutigt ihn weiterzumachen und schenkt ihm eine seiner Zeichnungen. Da diese einiges wert ist, versuchen mehrere Leute, sie Gabriel abzuluchsen: Der Vater, der nicht mal die Miete für seine triste Absteige bezahlen kann, die Mutter, die dem Sohn keine Eigenverantwortung zutraut und das Wertstück erst mal in den Safe stecken will, sowie der schwule Kneipenwirt Speedy, der Rockstar-Devotionalien sammelt. Wie Gabriel sie alle überlistet und sich durch allerhand unkonventionelle Ideen unbeirrt seinen eigenen Weg durch den Dschungel der widerstreitenden Interessen bahnt, erzählt der Autor locker und mit unaufdringlichem Humor. Er bleibt dicht dran an seinem Helden, schlägt sich augenzwinkernd auf seine Seite und fühlt sich gut in seine Gedankenwelt ein. Der Roman spielt, wie fast alle Texte von Kureishi, in London und zeigt nebenbei das heutige Lebensgefühl des dortigen Arbeiter -und Künstlermilieus.
Hanif Kureishi galt lange als enfant terrible der jungen britischen Literatur und wurde in den Achtzigern durch seinen Kultroman "Der Buddha aus der Vorstadt" berühmt, sowie durch zahlreiche Drehbücher, zuletzt für den Film "Intimacy" Hatte er damals auf witzig-schräge Weise das Leben und Treiben anglo-pakistanischer Jugendlicher in England beschrieben, so konzentrierte er sich in den letzten Jahren auf schwerblütige Beziehungsgeschichten. "Gabriels Gabe" macht eine erfreuliche Ausnahme, es scheint, als habe der Autor zu seinem alten Erzählstil zurückgefunden. Das Buch ist sicher zahmer als der "Buddha", doch immer noch schwelgt der Autor in ungewöhnlichen Situationen und Charakteren, die keine Langeweile aufkommen lassen.
Mir persönlich gefiel "Gabriels Gabe" besser als Nick Hornbys "About a boy". Die Thematik - "Erwachsenwerden" von Kindern u n d Eltern, Selbstbehauptung von Jugendlichen etc. liegt ähnlich, doch schafft es Kureishi, sie mit mehr Leichtigkeit und Witz zu vermitteln.