Korea und ich.
Lesehäppchen aus dem Land der Morgenfrische.
Jonas Ley, Edition Peperkorn, Thunum/Ostfr. 2002.
Korea ist anders. Zumindest anders als Deutschland. Zu dieser selbstverständlichen Feststellung kommt der Autor bereits in den ersten Tagen seines Aufenthalts in dem ostasiatischen Land, wo er zwei Jahre lang die Qualitätssicherung in einem Zulieferbetrieb der Automobilindustrie leitet. Was Jonas Ley in Korea - genauer gesagt: in Südkorea erlebt, und was ihn dort immer wieder in Staunen versetzt, erscheint uns Westeuropäern sicherlich nicht fremdartiger als den Asiaten unsere Kultur. Denn in Gestalt des Autors bzw. des von ihm geschaffenen Erzählers und anderer "Expats", wie die in Korea arbeitenden deutschen Mitarbeiter genannt werden, begegnen die Koreaner mit manchmal ebenso ungläubigem Staunen und Unverständnis unserer uns so selbstverständlichen Kultur.
Diese Erfahrungen hat der Autor aufgearbeitet zu "Lesehäppchen", Episoden, die einzelne Begegnungen pointieren und bestimmte Aspekte in den Vordergrund rücken, welche durchaus angebracht sind, auch einmal über die eigenen Sonderbarkeiten nachzudenken. Obwohl der Betrieb unter deutscher Leitung geführt wird, wird er von den einheimischen Mitarbeitern durch und durch als koreanische Firma betrachtet: Die Verfahrenswege folgen koreanischen Gewohnheiten, die Umgangsformen sind tunlichst koreanisch, die Probleme werden koreanisch gehandhabt - und wie kämen die Koreaner denn auch darauf, sich hier wie Deutsche zu gerieren, nur weil die Leitung des Unternehmens samt Stammhaus deutsch ist und auf der gegenüberliegenden Seite der Erdkugel liegt?
Aus diesem Zusammentreffen von Menschen zweier sehr unterschiedlicher Kulturen, die sich Strategien und Taktiken der Alltagsbewältigung zugelegt haben, wie sie unterschiedlicher kaum sein können, ergeben sich amüsante, manchmal geradezu absurde Situationen: Parkhäuser, in denen man sich rettungslos verirrt, PIN-Codes, die der Bankangestellte quer durch die Schalterhalle posaunt, und Managergattinnen, die bei Geschäftsessen referieren, daß "die Koreaner" Hunde lebendig grillen, wohl weil die Stresshormone das Fleisch besonders zart machen. Wir erfahren mit Erleichterung den Grund dafür, daß die Koreaner, welche uns in der PISA-Studie weit überflügelt haben, als Gaststudenten in deutschen Universitäten lieber schweigend dasitzen und zuhören: Fremdsprachen lernen sie wie deutsche Schüler Latein, nämlich als "Schreibe" und nicht als "Sprache", was in Kombination mit Inkompatibilitäten zwischen koreanischer und lateinischer Schrift zur Entwicklung einer vollkommen neuen Sprache führt.
Ich würde es begrüßen, wenn dieses Buch in koreanischer Übersetzung auch auf den dortigen Buchmarkt käme; denn es würde Jonas Leys Gastgebern reichlich Gelegenheit bieten, sich über diese Deutschen zu amüsieren, die ebenso ratlos wie fasziniert, ebenso begeistert wie erschrocken durch ihr schönes und dabei so anderes Land stolpern.
Fazit: Nicht nur als Lektüre zur Vorbereitung einer Reise oder eines längeren Aufenthaltes wärmstens zu empfehlen als ein Buch, das unsere Gewohnheiten mit ein wenig koreanischer Morgenfrische belüftet.
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