Fühl mal, Schätzchen.
Roman.
Ulrike Linnenbrink, IL-Verlag, 2012

Lisa Merkel war einmal eine glücklich verheiratete Frau; zwei Kinder, ein beruflich erfolgreicher Mann, ein Haus mit Garten - da tat sie sich leicht, dem Wunsch ihres Mannes zu folgen und sich der Familie zu widmen. Doch als Richard arbeitslos wird, bricht für ihn die Welt zusammen - und dieser Schlag fällt auch auf die Familie zurück. Lisa, die sich von jeher willig gefügt hat, rutscht allmählich in die Rolle des Prellbocks, wird zur Zielscheibe körperlicher und seelischer Gewalt. Als er sie schließlich vergewaltigt, kanalisieren sich Wut und Verzweiflung in dem Entschluß, ihren Peiniger umzubringen.

Der Plan schlägt fehl; doch Lisas schlaue Inszenierung geht als Unfall durch - zu sauber ist die Fassade von heiler Welt, die vor allem Lisa nach außen hin aufrechterhalten hat. Körperlich entstellt kehrt Richard aus dem Krankenhaus nach Hause zurück. Zunächst scheint er mit seiner Absicht, mit seiner Familie ein neues Leben anzufangen, ernst zu machen, eine Lehre gezogen zu haben.

Doch der Firnis ist nur dünn, und die unbewältigte Frustration resultiert in neuer Gewalt. Als er zufällig herausfindet, daß hinter dem Hausbrand, der ihn beinahe das Leben gekostet hätte, ein Plan Lisas stecken könnte, eskaliert die Situation - schwer verletzt findet sich Lisa im Krankenhaus wieder. Doch auch hier verfolgt er sie. Selbst ihre zeitweilige Zuflucht in einem Frauenhaus spürt er auf. Schließlich findet Lisa mit den Kindern Unterschlupf in einem Häuschen auf dem Land, aber hier fühlt sie sich ebenfalls nicht sicher.
Ihre Anstrengungen, Richard wegen Körperverletzung anzuklagen, stürzen sie wegen ihres eigenen Mordversuchs in Gewissenskonflikte und Ängste, aus denen sie keinen Ausweg zu finden glaubt.

Die Erzählung ist konsequent aus Lisas Perspektive geschildert, so daß man als Leser(in) ihrer Entwicklung nachtasten kann und quasi mit ihr durch die Hölle geht, ehe sie die ersten Versuche zur eigenen Entfaltung macht.
Ulrike Linnenbrink läßt vor unseren Augen den Prototyp der braven Hausfrau und Mutter erstehen, eine Frau, die fehlende Eigeninitiative durch Anpassung wettzumachen glaubt und damit nicht nur zur Totengräberin ihrer selbst, sondern sogar beinahe ihrer Familie wird. Erst auf der Flucht erkennt sie die Notwendigkeit sich zu behaupten um ihrer eigenen Zukunft, aber auch um ihrer Kinder willen.

Ein Buch, das nachdenklich stimmt angesichts der Vorzeigefamilien in ihren Vorstadtidyllen.

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