ALFRED KUBIN:
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In seiner Art als phantastischer Roman heutzutage sicherlich nicht mehr
einzigartig, seinerzeit aber äußerst einflußreich und wegweisend,
zeigt der einzige Roman des österreichischen Zeichners alle Merkmale
eines utopischen Entwurfes, der die en nuce dargestellte Gesellschaft als
ausgeklammerte auch noch im Scheitern reizvoll erscheinen läßt.
Die Reise des Protagonisten in die von der Welt abgeschiedene Traumstadt
"Perle", deren Infrastruktur dem Leser in bester Fantasy-Manier
genau vorgeführt wird, birgt nicht nur das unterhaltsame Moment des
Kulturschocks, sondern führt zugleich vor Augen, wie ein System ohne
Mittelpunkt kollabiert. Die reizvolle Imagination eines zentralistisch und
diktatorischorganisierten Gemeinwesens, dem ein eigener Kult eingeschrieben
ist, der die grundgelegte Macht- und Ohnmachstruktur perpetuiert, läuft
aus in eine verstörte Deperspektivierung, die auch erzählerisch
genau in ein Panoptikum philosophischer, gesellschaftspolitischer und religiöser
Details aufgelöst wird.
Doch zugleich ist die Reise zu verstehen als die des Protagonisten zu sich
selbst: Sein übermächtiges Ego, "Patera", dem zuletzt
jeder Grund abhanden kommt, lädt ein, schützt, eröffnet,
zerstört und geht unter. Die Sehnsucht nach einer starken, festen Kraft,
die das Leben einheitlich und geschlossen organisiert, endet im Zusammenbruch,
in der Ruine dessen, was der Erzähler selbst ständig ironisch
reflektiert: der menschlichen Natur. Zerbrochen in Trümmern steht zuletzt
der Traum einer wenn nicht besseren, so doch zumindest ganz anderen Welt,
die den Schein einer Alternative anbieten sollte.
Doch das Zerr-Bild unserer Welt erweist sich als unhaltbar, auch in seinen
technisch kalkulierten Details nicht mehr beherrschbar. Die Frage nach "Richtig"
und "Falsch" stellt sich am Ende nicht mehr. Stattdessen bleibt
das "Phänomen Patera" ungelöst: Die Kraft, die eine
Welt erschafft (das "Ich"), ist objektiv nicht mehr greifbar und
verständlich. Der Leser sucht in der Geschichte nach Anhaltspunkten,
findet Ereignissequenzen, eine spannende Detektivgeschichte gar - wird aber
auf der Suche nach sich selbst nicht fündig. Die ist das abschließende
Credo dieses lesenswerten Buches: Ich komme mir selbst nicht auf die Spur.
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