HANS MAGNUS ENZENSBERGER:
GEDICHTE 1955-1995



Der Auswahlgedichtband, der verschiedene Arbeiten des süddeutschen Literaten vereint, enthält z.B. ein so wichtiges Gedicht wie die "Verteidigung der Wölfe gegen die Lämmer", das in seiner naiv anmutenden Diktion Vorläufer und Grundfigur aller politisch nicht korrekten Texte ist.

Im Gefolge Brechtscher Lyrik ist bei Enzensberger nie lange zu rätseln, was gemeint sein könnte. Die Bedeutung der Texte steht immer recht klar vor Augen. Die platte Realistik, gepaart mit souverainer Formbeherrschung, stellt ein eindeutiges Ziel vor Augen.

Enzensberger war nie ein Vertreter der Ansicht, daß Lyrik etwas Besonderes sei. Man habe sie schlichtweg so zu behandeln, wie einen erzählenden Text. Und doch nutzt der Autor das Mittel der knappen und verkürzten Sprache, um zuletzt jene Ratlosigkeit hervorzurufen, die sich stets einstellt, wenn man das Gefühl hat, hier sei etwas mit besonderer Mühe, Kunstfertigkeit oder Bedeutungsschwere vorgenommen, ohne schließlich den Punkt auf das i zu setzen.

Enzensberger aber will - im Unterschied zu vielen anderen "Dichtern" - auf diesen Mangel, dieses Blablabla, diese Leerstelle im Text aufmerksam machen, statt sie zu überschreiben mit seichten Beschwichtigungen oder notdürftigen Erklärungen.

Enzensbergers Gedichte sind hart. Sie fügen sich nicht der schnittigen Konversation und Weichmacher-Lyrik - es sei denn, sie persiflieren sie. Dadurch gewinnen die Texte an Dichte und Authentizität.

Bemerkenswert ist zudem, daß viele seiner Gedichte eine anfangs vorausgesetzte Grundstruktur ausbauen, ergänzen und immer weiter verfeinern. Es ist ein Spiel mit dem vorhandenen Material, das aber zuletzt zerstört oder zumindest verändert wird. Nein, diese Gedichte kann man nicht liebhaben! Aber man muß sie kennen.

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