Zwischen zwei Träumen. Roman.
Selim Özdogan, Lübbe, Januar 2009


zwischen

»Flackern. Wie früher versuchten wir noch möglichst lange, die Augen offen zu halten. Seit drei Jahren hatte ich Tedeisha nicht gesehen, drei Jahre lang nicht mit ihr geträumt, und jetzt flackerten unsere Lider, und ich sah in ihre grünen Augen, lächelte das kleine grüne Dreieck darin an. Es war wie nach Hause kommen, und vielleicht ist mir eine Träne heruntergelaufen, bevor die Tropfen uns die Lider zudrückten.

Der Traum begann ganz klassisch, zumindest glaubte ich das zunächst.«

Nesta ist jung, Nesta will etwas erleben und vor allem will er träumen. Denn Träume kann man kaufen, als Tropfen, Träume, die ein anderer geträumt hat. Zum Beispiel Donna, eine der angesagtesten Träumerinnen, der Licht, deren Sehnsucht weltbekannt ist. Die Millionen in ihre Träume mitnimmt, deren Traumtropfen die Hitlisten erstürmen. Sie ist ganz groß.

Ganz groß will auch Nesta werden. Auch er will ein Traum-Star sein. Immer wieder wird er zum Vorträumen eingeladen, doch einen Vertrag erhält er nicht. Dafür wird sein Freund Sal stadtbekannter DJ. Und Nesta lernt beim Vorträumen Tedeisha kennen, die wie er davon träumt, ein Star unter den Träumern zu werden. Sie können einander in ihren Träumen begegnen. Das kann sonst niemand. Doch Tedeisha erhält einen Vertrag, jettet um die Welt, wird berühmt und meldet sich immer seltener bei Nesta. Auch Sal ist berühmt, auch Sal meldet sich kaum noch.

Doch dann kommen diese kranken Träume auf den Markt. Träume, aus denen die Menschen nicht mehr aufwachen ...

Özdogan hat ein poetisches Buch geschrieben, ein Buch, das ein Science Fiction ist, ein Buch, das in Träumen schwelgt und darin, dass Menschen alles darin vergessen, ein Buch in einer Welt, in der man die Träume der Menschen kaufen und verkaufen, tropfen und miterleben kann.

Um ein ähnliches Buch zu finden, müsste man lange suchen. Am ehesten fällt mir noch Neuromancer ein, der Cyberpunkroman, der Geschichte schrieb. Ganz anderes, aber genauso konsequent in der Erfindung einer eigenen Welt.

Das sagt auch schon alles, was man über diesen Roman sagen kann. Ein Roman, in dem man versinkt, wie in einem Traum, ein Roman, der einen doch immer wieder herausreißt, weil es so einfach mit den Träumen nicht ist und poetisch bleiben sie auch nicht. Eine eigene Lesewelt, die, wenn man aufwacht, den Eindruck erweckt, sie sei völlig real gewesen, man habe die drei Hochhäuser erlebt, in denen Nesta lebt und feiert, habe seine Trauer empfunden, als er kein Star wurde und sei mit ihm durch die Traumwelt jenseits der Welt gestolpert, durch Türen, die nicht jeder sehen kann, habe sich mit illegalen Traumtropfen versorgt und sei in seinen Träumen hängen geblieben.

Erst Februar und ich habe schon eins der wichtigsten Neuerscheinungen dieses Jahrs gelesen. Und eine Affenschande, wenn dieses Buch nicht wenigstens auf die Shortlists des deutschen Buchpreises im Oktober kommt.

Leseprobe

Autorenhomepage

Zwischen zwei Träumen, Roman, Selim Özdogan, Lübbe, Januar 2009
ISBN-13: 978-3785716243, gebunden, 447 Seiten, Euro 18,95

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