Die Wahrheit über die Zukunft. Kurzgeschichten.
Samantha Schweblin, Suhrkamp, März 2010

Die Wahrheit über die Zukunft

»Das Leben in der Steppe ist nicht leicht, der nächste Ort liegt Stunden entfernt, und es gibt nichts zu sehen außer endlosem Gestrüpp. Von unserem Haus sind es mehrere Kilometer bis zum Dorf, aber das macht nichts; das Haus ist bequem und hat alles, was wir brauchen. Pol fährt dreimal die Woche ins Dorf, schickt den Landwirtschaftszeitschriften seine Artikel über Insekten und Insektenvertilgungsmittel und kauft ein, was ich ihm auf die Einkaufsliste gesetzt habe. Während er nicht da ist, widme ich mich einer Reihe Beschäftigungen, denen ich lieber allein nachgehe. Ich glaube, Pol wäre nicht besonders erbaut, davon zu erfahren, aber in der Verzweiflung kommen einem so einfache Dinge wie Kerzen, Räucherstäbchen oder irgendein guter Rat aus einer Zeitung ganz einleuchtend vor. Es gibt etliche Rezepturen zur Stimulierung der Fruchtbarkeit, aber da nicht alle verlässlich wirken, setze ich auf die, die mir am plausibelsten erscheinen, und folge eisern ihren Anleitungen. Ich notiere in meinem Heft jedes relevante Detail, jede noch so kleine Veränderung an Pol oder mir.
In der Steppe wird es spät dunkel, was uns nicht besonders viel Zeit lässt. Alles muss vorbereitet sein: die Taschenlampen, die Netze. Pol putzt die Utensilien, während er darauf wartet, dass es so weit ist.«

Eine Frau erzählt. Offenbar wünscht sie sich ein Kind, plagt sich mit Fruchtbarkeitszyklen. Doch warum spannt sie dann Netze auf?

Und dann befreundet sich ihr Mann mit einem Pärchen. "Sie haben eins", sagt er seiner Frau. "Seit einem Monat."

So beginnt die erste Geschichte von Samantha Schweblin, die gekonnt Reales und Surreales mischt. Egal, ob es um die Aufnahmeprüfung für Profikiller geht, um ein Kind, das sich von lebenden Vögeln nährt, um einen seltsamen Gräber in einem Badeort, oder um eine Schwangerschaft, die nicht abgebrochen werden soll, sondern ...

Immer sind ihre Geschichten spannend, Kafkas Verwandlung in Argentinien, magischer Realismus der ganz eigenen Art. Nicht das Buch, das man auf einen Zug durchliest, eher eins, das man Häppchen für Häppchen genießt. Zu unterschiedlich sind die Themen und die Geschichten.

Aber ein Lesevergnügen der besonders ungewöhnlichen Art. Wer also auf Entdeckungen gehen will in Texten, die noch unkartiert sind, findet hier reiche Beute.

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