Die Zauberlaterne. Roman.
Wolfheinrich von der Mülbe, Edition Büchergilde 2003




Ein magisches Rasierzeug

In der alten Burg Schreckenstein zieht es durch alle Fenster, das Dach ist undicht und Mutter Schute unzufrieden mit ihrem Sohn. "Andere junge Ritter ziehen aus, bezwingen Riesen und Zwerge, töten Drachen und heiraten wohlhabende Feen. Deswegen können sie auch ihre Burgen anständig halten und ihre Mütter bekommen auch nicht das Zipperlin.

Also muss Ritter Kunibert auf Abenteuer ausziehen, wie es sich für einen Ritter gehört. Er sattelt seine alte Mähre, ruft seinen Knappen, verabschiedet sich von seiner Mutter und überlegt, während er den Burgweg hinabreitet, ob sein Vater "deswegen keine wohlhabende Fee habe finden können, weil er aus Versehen die Fee erschlagen und statt ihrer den Dra..."

"Im nächsten Dorf aßen sie zu Mittag, und als sie satt waren, rief der Ritter: ‚Zenzi, gelt, Sie bringen uns den Kaffee in den Garten?' Zenzi kam, zog einen großen Kamm aus der Frisur und kratzte sich damit umständlich am Kopf. [...] ‚Kaffee gibt`s eigentlich erst nach den Kreuzzügen', sagte sie gedankenvoll. ‚aber weil sie es sind ...'"

Bald findet Kunibert auch seine Prinzessin, aber wie in jedem anständigen Märchen muss er drei Aufgaben lösen, um ihre Hand zu gewinnen.

Die erste ist noch leicht, doch schon die zweite hat es in sich: Er muss das magischen Rasierzeug finden, das die Fee Süffisande ihrem Liebhaber vor Urzeiten geschenkt hat. Sein Messer wird nie stumpf, seine Seife nützt sich nicht ab und dessen Pinsel schlägt von selbst den Schaum. Das möchte König Kasimir der Zartbesaitete, der Vater der Prinzessin, haben und Kunibert muss viele Länder und Meere durchstreifen, bis er die Einzelteile aufgetrieben hat.

Natürlich muss er zahlreiche Abenteuer auf seiner Reise bestehen und lernt dabei einen Drachen kennen, der gerne Apfelkuchen isst; den Ex-König von Speyer, der sein Königreich verlor und jetzt vom Drehorgelspielen leben muss; einen Schneekönig mit Hadschi-Halef-Omar Bart; einen Grasaffen, der sich als grün angestrichener Schiffsjunge entpuppt und einen Berggeist namens Kanalape, der leider etwas schwerhörig ist ...

Witzig ist der Text und sarkastisch nimmt er die Ritterromane und Opern aus dem 19. und Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts aufs Korn, aber seine Seitenhiebe treffen heutige Fantasybücher genauso. Gleichzeitig ist es auch ein Abenteuerbuch, das man bald nicht mehr aus der Hand legen mag.

Wer sich in der Literatur auskennt, wird zahlreiche Anspielungen erkennen, aber man muss keine einzige davon verstehen, um von dem Buch gefesselt zu werden.

Wolfheinrich von der Mülbe hat bereits 1937 dieses farbige Märchen voller Magie und Ironie geschrieben, Rotraut Susanne Berner hat es illustriert. Das Buch, das eine kleine, aber treue Fangemeinde hat, ist damit endlich wieder erhältlich. Für Märchen- und Fantasyfans von 12 bis 120 ein absolutes Muss.

Über den Autor: Wolfheinrich von der Mülbe (1879-1965) war Literatur- und Kunstgeschichtler, hat zahlreiche Übersetzungen veröffentlicht (unter anderem: Küsschen, Küsschen, von R. Dahl), "Die Zauberlaterne" schrieb er 1937.

Wolfheinrich von der Mülbe, Die Zauberlaterne
Gebundene Ausgabe - 475 Seiten - Edition Büchergilde
Erscheinungsdatum: Oktober 2003
ISBN: 3936428212

Das Buch bei Amazon

Weitere Rezensionen von Hans Peter Röntgen

zurück

Für alle Rezensionen gilt: © by Hans Peter Röntgen - WebSite - Kontakt
Alle Rechte vorbehalten - All rights reserved