Vorsaison. Roman.
Martin Gülich, Schöffling 2004


Der Fänger im Vorort

"Meine Eltern behaupteten, ich sei ein Sonntagskind. [...] Manchmal hatte ich allerdings den Verdacht, dass im Krankenhaus die Uhren falsch gegangen waren. [...] Innerhalb eines Monats hatte ich mir nacheinander einen Zahn ausgeschlagen, war in einen rostigen Nagel getreten und hatte meinen Frisbee unwiederbringlich in der Krone einer Rieseneiche versenkt. Im selben Monat war auch mein Goldhamster Bubu gestorben, den ich erst vier Wochen zuvor bekommen hatte. [...]
Vater behauptete, Bubu sei ein Garantiefall, und ich müsste im Zooladen auf alle Fälle einen neuen bekommen. Aber mir war die Lust auf Goldhamster gründlich vergangen."
Jakob Pauli pubertiert. Er fühlt sich so gar nicht als Sonntagskind und auch, dass er bei einer Tombola eine Barbiepuppe gewinnt, ändert daran nichts. Mit einer Barbiepuppe im Arm gesehen zu werden, ist für den Zwölfjährigen so ziemlich das Peinlichste, was er sich vorstellen kann.
Auch sonst fehlt es nicht an Problemen. Die Mädchen übersehen ihn, in der Schule ist er eher schlecht und dann schießt er auch noch beim Fußballturnier ein Eigentor ...
Martin Gülich versteht es, die unfreiwillige Komik, wie auch die Tragik der Pubertätsjahre in seinem Buch mit einem lakonischen Stil eindringlich zum Leben zu erwecken. Er gleitet weder in Weltschmerz ab, noch macht er sich über seinen Protagonisten lustig. Er erzählt einfach die Geschichte seines Ich-Erzählers zwischen 12-14. Und wer sich an diese Zeit in seinem eigenem Leben erinnern kann, sie weder verklärt noch verdammt hat, kann mit ihm mitfühlen.
Wenige Bücher in Deutschland schaffen es, gleichzeitig so ernst und so unterhaltsam zu sein.

Über den Autor: Martin Gülich, Jahrgang 1963, studierte Wirtschaftsingenieurwesen. Nach verschiedenen Anstellungen als Planungs- und Softwareingenieur lebt er seit 1997 in Freiburg/Breisgau als freier Schriftsteller.

Martin Gülich, Vorsaison, ISBN: 3895613029, Schöffling 2004, Euro 18,90

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