Im Auftrag der Väter. Krimi.
Oliver Bottini, Scherz, Oktober 2007
"Brahms weckte ihn, das Requiem, eine Woge ferner, dunkler Stimmen, die aus dem Obergeschoss ins Wohnzimmer herunterdrangen. Gähnend tastete Paul Niemann nach seiner Brille und setzte sie auf. Drei Uhr Nachmittags, es regnete noch immer, der Garten lag halb verborgen im nebligen Grau. Wohin man sich auch drehte in diesen Tagen, das Leben endete nach dreißig Metern an einer Wand aus Regen und Nebel. Brahms-Wetter, dachte er und erhob sich, das schon, aber doch nicht, wenn man erst fünfzehn war ..."
Im Garten des gepflegten Einfamilienhauses steht ein Mann, der gar nicht gepflegt aussieht. Sondern wie ein Penner. Nur irgendwie glaubt Paul Niemann nicht, dass dieser Mann ein Penner ist. Er antwortet nicht, als er ihn anspricht, dafür hat er eine Pistole. Und verschwindet.
Bis er nachts wiederkommt und ein Ultimatum stellt: In sieben Tagen müssen sie das Haus verlassen. Dass er dazu den Anfang eines Psalms aus der Bibel zitiert, macht das Ganze nicht besser. Und er spricht mit russischem Akzent.
Die Freiburger Kommissarin Boni lebt auf einer Baustelle, von Oberschlesiern umgeben. Und soll jetzt dieses Rätsel lösen, den Mann finden oder zumindest verhindern, dass er, wie angedroht, wiederkommt.
Gar nicht so leicht. Bald gerät sie in ein Wirrwarr von Hinweisen, von Russlanddeutschen aus Kasachstan, von Deutschen aus dem Balkan, aus Slawonien, Donauschwaben, Menschen, die einst ihre Heimat aufgegeben haben, um ihn den Osten auszuwandern, die dann von Hitler umgesiedelt wurden, später vertrieben und wo gehören sie überhaupt hin?
Der Anfang des Romans ist zäh und überfrachtet von bedeutungsschwangeren Hinweisen. Dass der Mann ein "Krieger" sei, mag man bei Paul Niemann noch akzeptieren, aber wieso glaubt ihm das die Kommissarin ohne jeden nachvollziehbaren Grund? Was soll diese Parallelentwicklung mit dem Umbau durch Oberschlesier und manches anderes, was den Eindruck erweckt, da habe jemand mit aller Gewalt "literarisch" schreiben wollen. So lesen sich die ersten 100 Seiten schwer.
Danach aber, wenn die Geschichte der Deutschen im Osten hineinspielt, wird es spannend, verliert sich der Eindruck gewollter Bedeutungsschwere. Dann kann man nachvollziehen, warum am Anfang der Text bedeutungsschwer ist, auch wenn ich finde, dass der Autor dies besser unterlassen hätte. Dem Text hätte es eindeutig gut getan und den Lesern auch.
Doch die Verwicklungen der Geschichte der letzten fünfzig Jahre, von Menschen, die mal hierhin, mal dorthin gehörten, nie eine eigene Identität haben durften, die Vertreibungen und die ethnischen Säuberungen, die geduldeten und dann "Rückgeführten", der zweite Weltkrieg und die serbisch-bosnisch-kroatischen Bürgerkriege, lässt diesen schweren Anfang vergessen und belohnt den Leser, der durchgehalten hat.
So wurde denn doch noch ein lesenswerter Roman und Krimi daraus. Und das beweist, dass Oliver Bottini nicht zu unrecht so viele Preise für seine Bücher gewonnen hat.
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Weitere Bücher Oliver Bottinis:
Mord im Zeichen des Zen
Im Sommer der MörderIm Auftrag der Väter, Oliver Bottini, Krimi, Scherz, Oktober 2007
ISBN 978-3-502-11009-5, gebunden, 444 Seiten, Euro
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