Unterwegs verloren - Erinnerungen. Autobiografie.
Ruth Klüger, dtv, September 2010

Unterwegs verloren

In Ihrem Buch „Weiter leben“ schilderte Ruth Klüger, wie sie als jüdisches Mädchen Auschwitz überlebte. Sie schuf damit eines der ehrlichsten und authentischsten Bücher über das Leben in den deutschen KZs.

In diesem neuen Buch schildert sie ihr späteres Leben in den USA als Literaturwissenschaftlerin. Immer wieder greifen die Erinnerungen nach ihr, auch wenn sie glaubte, dass die Gespenster mit dem Älterwerden zurückweichen, stellt sie doch letztendlich fest, "dass die Jugenderlebnisse nicht die geringste Absicht hatten, sich aus der Psyche zu entfernen."

Doch nicht nur darüber schreibt sie. Sondern über ihren WEg als Literaturwisssenschaftlerin in den USA in einer Zeit, als Frauen an den Universitäten selten waren und sich ihren Weg mühsam erkämpfen mussten. Dabei schildert sie manches, dass heute kaum mehr vorstellbar scheint und lässt damit die Fünfziger bis Siebziger Jahre wieder lebendig werden. Auch ihre Ehe mit einem Kollegen war nicht glücklich, damals hatte die Karriere der Frau hinter der des Mannes zurückzustehen. Am besten angesehen waren die Frauen, die erst gar keine anstrebten. Schließlich sollte eine Ehefrau ihren Mann unterstützen.

Lange dauerte es, bis sie sich wieder zurück nach Deutschland wagte. Um so wichtiger für sie, dass ausgerechnet hier ihre Autobiografie "Unterwegs verloren" einen solchen Erfolg hatte.

Noch länger brauchte sie, um ihre alte Heimatstadt Wien wieder zurück zu erobern. Die Erinnerungen kommen zurück wie Gelsen. Nicht nur die Bösen, auch daran, was ihr an Wien gefällt. "Andererseits ist mir diese Wiener Wurschtigkeit gemäßer als die deutsche Prinzipienreiterei":

Das Buch wirkt oft bitter, obwohl Ruth Klüger jedes Jammern vermeidet, nur erzählt. Wie oft ihr "Jüdisch Sein" ihr auch in den USA angekreidet wurde. So sind die Erinnerungen auch eine Zeitgeschichte, eine Fahrt in die Vergangenheit nach dem zweiten Weltkrieg, ein Blick in das universitäre Milieu, die Intrigen dort und wie kleinkariert es dort zugeht, wo eigentlich Neugierde herrschen sollte.

Und eben wegen diesem scharfen Blick hinter die Kulissen, wegen der lebendigen Sprache, der lakonischen, kurzen Erzählweise, fesselt es auch den, der sich für Literaturwissenschaften und Universitäten gar nicht interessiert. So entstand ein bemerkenswert spannendes Zeitkolorit.

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