Die Überarbeitung.
(Ein Lehrbuch für Autoren)
David Michael Kaplan

(Leider kein Cover)

"Der erste Entwurf ist immer Scheiße" wusste schon Hemingway, "Schreiben heißt Umschreiben" sagt Sol Stein und Isaac Bashevis Singer pries den Papierkorb als "den besten Freund des Schriftstellers". Es ist die Überarbeitung, aus der große Literatur entsteht.

Doch genau das fällt Anfängern schwer - die Notwendigkeit der Überarbeitung zu erkennen. In vielen Schreibbüchern taucht die Überarbeitung neben anderen Themen auf, aber oft nur am Rande und sehr oft auf stilistische Überarbeitung reduziert.

David Michael Kaplan hat mit seinem Buch "Die Überarbeitung" einen Text vorgelegt, der sich ausschließlich den Techniken der Überarbeitung widmet. Er hat selbst zahlreiche Kurzgeschichten und Erzählungen geschrieben, hat (dem Himmel sei Dank) nicht nur die Endfassungen, sondern auch die ersten Entwürfe aufbewahrt und scheut sich nicht, diese in dem Buch vorzustellen.

Oft handelt es sich um belanglose Geschichten, der Leser weiß nicht, worauf sie hinauswollen, warum er sie denn lesen sollte. Anfänger werden erfreut feststellen, dass auch gute Autoren nur mit Wasser kochen und diese Erstfassungen nicht besser sind als ihre eigenen Texte.

Aber dann zeigt er Schritt für Schritt, wie sich ein mäßiger Text verändern lässt. Wie der Autor feststellt, um was es in seinem Text überhaupt geht. Warum ein Autor nicht gleich seine Geschichte hinschreiben sollte, sondern sie erst mal im Kopf reifen lassen kann, mit den Figuren, dem Konflikt, dem Plot, dem Umfeld spielen sollte, bevor er eine erste Fassung niederschreibt. Dass jeder Autor seine erste Fassung überarbeiten muss - aber die erste Fassung auf jeden Fall aufbewahren sollte. Oft stellt sich später heraus, dass man doch zu dieser Fassung zurückkehren muss.

Dann die Qual der ersten Fassung: Der Autor schreibt, aber merkt, dass es nicht perfekt ist. Lohnt es sich überhaupt fortzufahren, die Geschichte taugt nichts, ich kann doch gar nicht schreiben und schon fällt der Stift aus der Hand, schiebt der Autor die Tastatur beiseite und beschließt einen VHS Kurs "Steptanz" zu buchen.

Weiterschreiben, rät Kaplan. Der erste Entwurf ist immer Mist. Und er belegt es durch seine eigenen ersten Entwürfe und was nach der sechsten oder achten Überarbeitung daraus geworden ist. Das ist der größten Vorteil dieses Buches: Es macht dem Autor Mut, zeigt ihm, dass es keinen Grund gibt, zu verzweifeln, sondern nur eines angesagt ist: Weiterschreiben. Einfach weiterschreiben, bis der erste Entwurf steht. Der Text taugt nichts? Keine Sorge, der erste Entwurf taugt meistens nicht, schaut euch meine ersten Entwürfe an, und Kaplan hat recht. "Die wahre Messlatte des Künstlers ist nicht das Chaos der ersten Fassung, sondern die Eleganz der letzten. Und bedenken Sie: Ihre Sorge um die Konfusion Ihrer ersten Fassung ist ein gutes Zeichen. Sie zeigt, dass Sie eine kritische Haltung gegenüber Ihrer Arbeit haben" (S67).

Kaplan weiß eine Menge Ratschläge, wie ein Autor Stück für Stück seine Überarbeitung angehen kann. Überarbeitung der Anfänge, der Rückblenden, das Ende, Streichen, was nicht zur Geschichte gehört, aber auch: Wesentliches hinzufügen.

Vor allem dieses Kapitel ist wichtig. Zwar findet man auch in anderen Schreibbüchern Techniken, wie Szenen erweitert werden, oft aber nur implizit und die Tatsache, dass die meisten Anfängertexte gekürzt werden müssen, lässt oft vergessen, dass Anfängertexte ebenso oft erweitert werden müssen. Kaplan widmet diesem Thema ein eigenes Kapitel, zeigt, wie man die Figuren, Beschreibungen, Dialoge ausbaut und die Texte dadurch stärker werden. Auch hier spart er nicht an Beispielen, scheut sich nicht, Geschichten die mehrere Seiten umfassen, in verschiedenen Formen vorzustellen.

Seine Erzählungen sind lang genug, dass sie mehrere Szenen umfassen und er diskutiert ausführlich, wie man die Szenenreihenfolge umstellen kann, wie der Plot gewinnt, wenn der Autor sich überlegt, was wann in seiner Geschichte geschehen soll und vor allem, was die Figuren wann fühlen.

Und als vorletztes Kapitel der Stil. Anfänger meinen oft, überarbeiten heiße, den Stil verbessern, vor allem in Deutschland, wo Texte oft nur nach den stilistischen Qualitäten beurteilt werden. Stil ist nicht unwichtig, ganz im Gegenteil, nur sollte man daran denken, dass er zuletzt kommt. Erst wenn die Geschichte selbst, mit ihren Figuren, ihren Szenen, der Anfang und das Ende stehen, wird der Stil wichtig. Niemand kann alles auf einmal tun und grade ein Anfänger sollte sich Häppchen für Häppchen seinen Text vornehmen. Zuerst den Anfang. Dann die Szenenreihenfolge. Dann ... Und ganz zum Schluss den Stil. Sonst will man alles gleichzeitig ändern und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.

Kaplans Buch ist gut, weil es eine Menge Beispiele und Ratschläge enthält und Mut macht. Es zeigt wie wichtig Überarbeiten ist und zeigt gleichzeitig, dass es zu schaffen ist.

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www.zweitausendeins.de


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