Die Trolle. Fantasy.
Christoph Hardebusch, Heyne, März 2006


"Der Wald lag in den Abendstunden ruhig da. Kaum ein Tier war zu hören, während die letzten Strahlen der Sonne durch sein Blattwerk drangen. Mächtige, moosbewachsene Bäume ragten Dutzende von Schritten in die Höhe, und zwischen ihnen bildeten Büsche und Farne ein undurchdringliches Unterholz. Als die Hufschläge des Reitertrupps schließlich verhallten, kehrten auch die alltäglichen Geräusche des Forstes zurück und erinnerten Sten an die vielfältigen Gefahren, die sein Leben bedrohten.
Vergeblich rüttelte er an den dicken Eisenstangen seines Käfigs. Natürlich gaben sie nicht nach. Alles in allem haben meine Feinde gute Arbeit geleistet, ging es Sten durch den Kopf."

Sten ist Rebell, einer der freien Vlachkis, die sich der masridischen Besatzung und Eroberung widersetzen. Als der Fürst der Masriden ihn einfangen kann, lässt er ihn im Wald aussetzen, in einem stabilen Käfig. Da mag er langsam verdursten oder vielleicht frisst ihn auch ein Bär.
Doch es sind keine Bären, die Sten finden, sondern Trolle. Auch die denken zuerst ans Fressen, sie sind knapp an Verpflegung. Normalerweise leben sie wie die Zwerge unter der Erde und hier im Wald an der Oberfläche kennen sie sich gar nicht aus. Sie brauchen jemand, der sich mit Menschen und der Oberfläche auskennt, weiß der Führer der Trolle Druan. Also nehmen sie Sten samt Käfig kurzerhand mit.
Keine angenehme Gesellschaft, in die Sten da geraten ist. Denn Trolle sind Menschenfresser und Druans Kollegen sind alles andere als begeistert, sich diesen Happen entgehen zu lassen. Nur mit Mühe kann Druan seine Gefolgstrolle in Zaum halten. Auch sonst haben die riesigen Monster einige sehr unappetitliche Eigenschaften. Doch sie brauchen Sten, denn die Zwerge haben Magie gewonnen und wollen diese, nutzen um die Trolle auszurotten. So bildet sich eine Zweckgemeinschaft, denn auch Sten und die Rebellen können jede Hilfe brauchen, die sie bekommen können. Zunächst scheint es nicht so, als ob die Gemeinschaft lange halten würde, immer wieder erinnern sich die Trolle an ihren Appetit, immer wieder möchten Sten und die Rebellen sich dieser menschenfressenden Ungeheuer entledigen und ihnen am Tag, wenn Trolle in Schlaf fallen, die Kehle durchschneiden. Um so erstaunlicher, wie sich dennoch zwischen Rebellen und Trollen eine Kampfgemeinschaft zu entwickeln beginnt. Doch wie lange wird sie halten?
Nach den Feen, den Orks, den Zwergen wieder jemand, der Tolkien ausweidet und uns immer die gleichen Geschichten auf dem gleichen Hintergrund erzählt? Wieder ein Beweis mehr, dass Heyne und andere Verlage grundsätzlich nichts Neues verlegen, erwachsene Fantasy-Leser nichts mehr fürchten als Phantasie?
Weit gefehlt. Die Trolle haben neben den gewohnten Eigenschaften - sie werden unbeweglich, scheinbar tot, wenn sie die Sonne trifft - einige unübliche. Sie mögen nicht das sein, was wir uns als Nachbarn wünschen, aber jeder von ihnen hat eine eigene Persönlichkeit. Da ist Druan, gewitzt, klug und die geborene Führerpersönlichkeit; Roch, der unbedingt schreiben lernen möchte, Laut malen, nennt er es; Pard, der glaubt, alle Probleme ließen sich durch Gewalt lösen. Bald fällt es schwer zu entscheiden, ob sie nun zu den "Guten" oder den "Bösen" gehören. Das gilt durch die Bank auch für die anderen Personen und Völker. Statt Tolkiens Schwarz-Weiß gibt Hardebusch der Geschichte die Farbe zurück.
Auch das Umfeld erinnert zwar an Tolkien, wird aber um zahlreiche andere Elemente erweitert. Nicht mehr die keltisch-altenglische Mythenwelt herrscht vor, "die Trolle" erfreuen uns mit einem neuem Ambiente. Schon die Namen klingen ganz anders, sind dem Rumänischen entlehnt, das Land "Vlachki" hat viele Ähnlichkeit mit Siebenbürgen und auch der Gruß "Sichere Wege" entstammt dem Rumänischen "drum bun" (guter Weg). Warum zum Teufel müssen alle anderen Fantasy-Autoren sich immer nur an der einen bekannten, ausgelutschten Welt und den keltischen Mythen orientieren, fragt man sich nach der Lektüre.
Obendrein erfreut uns der Autor immer wieder durch überraschende Wendungen. So ist das Buch ein wundervolles Beispiel, das man alte Geschichten auch einmal neue Richtungen geben kann.
Leider gibt es im Roman aber auch Stellen, da verlässt den Autor sein Sinn für Spannungsaufbau und -bogen. So etwa zwischen den Seiten 80-150 hätte ich ihn beinahe beiseite gelegt. Immer wieder wurde ich aus der Geschichte geworfen.
Warum?
Weil zuviel erklärt und behauptet wurde. Keine Szene, die nicht vom Autor nochmals erläutert wurde; wenn jemand einen Witz machte, steht anschließend die Bemerkung "Damit wollte er XXX necken" und als sich eine Liebesgeschichte anbahnt, lässt uns der Autor das nicht erleben, sondern kommentiert die Gefühle der Beteiligten derart, dass er sämtliche Spannung beseitigt. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass später die Gefühle weit glaubhafter in Szene gesetzt werden, statt dass der Autor sie einfach behauptet. Sobald Hardebusch sich wieder auf die eigene Geschichte besinnt, die eigenen Figuren marschieren lässt, die eingefahrenen Pfade verlässt, gewinnt seine Geschichte wieder Fahrt.

Fazit: Sieht man von einigen Stellen ab, in denen zuviel erklärt wird, ist das Buch rundum gelungene Unterhaltung, spannend, mit lebenden Personen - merke: auch Trolle sind bloß Menschen! - und einem faszinierenden, ganz eigenem Hintergrund. Ein Beispiel, dass es sich auch in der Fantasy lohnt, die alten Geschichten auf neue Weise zu erzählen.

Leseprobe
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Über den Autor: Christoph Hardebusch wurde 1974 in Lüdenscheid (Sauerland) geboren, leistete nach dem Abitur Zivildienst in einem kleinen Krankenhaus zwischen Patienten, die Alkohol- und Drogenentzug machten neben solchen mit Krebs und anderen, schweren Krankheiten. In Marburg studierte er BWL, stellte aber fest, dass ihm dieses Fach gar nicht lag. Er wechselte zu Anglistik, Germanistik und Geschichte. Später wurde er freier Texter in Mannheim.
Geschrieben hatte er schon immer, 2005 wurde aus dem Hobby ein Beruf, als er ein schon lange geplantes, aber eigentlich für den privaten Gebrauch gedachtes Romanprojekt für einen Verlag umsetzte. Daraus entstanden die Trolle.

Die Trolle, Christoph Hardebusch, Fantasy, Heyne, März 2006
ISBN 3453532376, TB, 767 Seiten, Euro 14,95

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