Tintenblut. Phantastischer Roman.
Cornelia Funke, Cecilie Dressler Verlag, September 2005


Die Jagd nach Wörtern geht weiter

"'Wenn etwas die Kerkertüren der Nachtburg öffnen kann, dann die Worte in diesem Brief - und Meggies Zunge. Sie kann Tinte zum Atmen bringen, Roxane, so wie du es mit deinem Lied vermagst.' [...]
'Du sprichst von Zauberei!', flüsterte sie.
'Nein, ich spreche vom Vorlesen.'"

Eigentlich war die Geschichte ja zu Ende. Capricorn war tot, Meggies Mutter zurückgekehrt aus dem Buch "Tintenherz" und die Leser klappten mit einem Seufzer - Schade, dass es zu Ende ist - das Buch zu.

Doch die Figuren waren anderer Meinung. Allen voran Staubfinger, der unbedingt zurück wollte, zu Roxane, seiner Geliebten, in die weglosen Wälder mit ihren Feen und Nixen, der die Spielleute und den schwarzen Prinzen wiedersehen wollte.

So beauftragt er Orpheus, ihn zurückzulesen. Und der schafft das auch. Was Staubfinger nicht weiß: Orpheus liest auch Staubfingers Todfeind Basta und Mortola, die den Tod ihres Sohnes Capricorn rächen will, zurück. Jemand muss den Feuertänzer warnen. Meggie liest nicht nur Farid, sondern auch sich selbst in diese fremde Welt, von der ihr ihre Mutter so oft erzählt hat.

Sie ist farbenprächtig, die Welt des Tintenherzen, doch friedlich ist sie nicht. Was in vielen Büchern als buntes Mittelalter erscheint, als spannendes Fantasy-Abenteuer, das entpuppt sich hier oft als Alptraum. Cornelia Funke erzählt die Faszination, aber auch die dunklen Seiten. Die Lieder der Spielleute, die jeder totschlagen darf; die Bauern, die Cosimo dem Schönen folgen, der gegen das Böse auszieht und für den so viele sterben; der Natternkopf, der sich ein Buch erkauft, das ihn unsterblich macht, es scheint als gingen der Autorin nie die Ideen aus.

Dabei erzählt sie langsam, malt die Szenen ruhig aus - für manchen Leser, der Action gewohnt ist, sicher zu ruhig -, verliert sich sogar an ein paar Stellen in ihrer eigenen Liebe zu den Worten und der Literatur, weiß aber den Leser zu fesseln, wie kaum eine andere Autorin in Deutschland. Fast scheint es, als ob die Kinderbücher die einzigen sind, die noch eine eigene Stimme pflegen, während die Erwachsenenliteratur längst im 08/15 der Weltverschwörungs-Thriller und Herrn der Ringe Klone versunken ist. Kein Wunder, dass Spiegel und Co sich weigern, Tintenblut auf die Bestsellerlisten zu erwähnen. Schon beim Zauberlehrling Harry Potter hörte man das bittere Zähneknirschen der Kulturredakteure.

Eigentlich ist das kein Kinderbuch, aber ein Buch, das auch Kinder mit Begeisterung lesen werden. Doch hat nicht schon Astrid Lindgren bewiesen, dass die besten Kinderbücher auch Bücher für Erwachsene sind?

Fazit: Farbenprächtiges und düster erzählt Funke ein neues Abenteuer um Meggie und Mo und all den anderen Figuren aus dem "Tintenherz". Gleichermaßen ein spannendes Märchen und ein phantastisches Abenteuer, Lesevergnügen pur eben.

Leseprobe
Homepage der Autorin

Über die Autorin: Cornelia Funke wuchs in Dorsten auf, studierte Pädogogik und Buchillustration, arbeitete auf einem Bauspielplatz in Hamburg und illustrierte Kinderbücher. Obwohl sie schon als Teenager ihren Geschwistern Geschichten erzählte, fing sie erst mit 35 an, auch selbst welche zu schreiben.
"Die wilden Hühner", "Drachenreiter", "Herr der Diebe" und vor allem "Tintenherz" begründeten ihren Ruhm, ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und selbst in den USA zum Bestseller. Für ihre Werke erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, einige werden verfilmt und für das Theater adaptiert.
Sie wohnte mit Mann und Kindern lange in der Nähe von Hamburg, bis sie 2005 nach Kalifornien umzog.

Tintenblut, Cornelia Funke, phantastischer Roman, Cecilie Dressler Verlag, September 2005
ISBN 3791504673, gebunden, 731 Seiten, Euro 22,90

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