Die Therapie. Psychothriller.
Sebastian Fitzek, Knaur, Juli 2006


"Als die halbe Stunde verstrichen war, wusste er, dass er seine Tochter nie wiedersehen würde. Sie hatte die Tür geöffnet, sich noch einmal kurz zu ihm umgedreht und war dann zu dem alten Mann hineingegangen. Doch Josephine, seine kleine zwölfjährige Tochter, würde nie wieder herauskommen. [...] Sie würde ihn nie wieder strahlend anlächeln, wenn er sie zu Bett brachte. Er würde nie wieder ihre bunte Nachttischlampe ausknipsen, sobald sie eingeschlafen war. Und nie wieder würde er von ihren grauenhaften Schreien mitten in der Nacht geweckt werden."

Viktor Larenz, der berühmte Psychiater, Star der Talkshows, der dem Publikum so einfach die kompliziertesten psychischen Strukturen erklären kann, ist am Ende. Seine Tochter ist spurlos aus der Sprechstunde eines Arztes verschwunden, er vermutet ein Verbrechen, doch auch nach Jahren findet sich keine Leiche.

Jetzt sitzt er in der Psychiatrie. Der berühmt Arzt ist nun selbst Patient. Und erinnert sich und will den Arzt, der ihn betreut, zu einem gewagten Manöver verführen. Doch der willigt nur ein, wenn Larenz ihm seine Geschichte erzählt.

Bevor sie verschwand, hatte Josy monatelang unerklärliche Krämpfe, kein Arzt, kein Krankenhaus konnte den Grund finden oder gar helfen. Larenz gab für seine Tochter sogar seine Praxis auf, um sich ganz ihr zu widmen. Nach dem Verschwinden seiner Tochter brach er zusammen und zog sich in ein einsames Ferienhaus auf einer einsamen Nordseeinsel zurück. Da tauchte eine geheimnisvolle Fremde auf, die behauptete, von seiner Tochter geträumt zu haben.

Aus der Perspektive in der Psychiatrie, aus der in dem Ferienhaus, aus der Zeit des Verschwindens setzt das Buch einen atemberaubenden Plot zusammen, der den Leser in Bann schlägt. Fitzek versteht sich auf Spannung. Er dreht die Schraube immer ein wenig fester, was gerade sicher schien, ist es im nächsten Moment dann doch nicht. Wenige deutsche Thriller können den Leser so in Bann schlagen.

Und dennoch gibt es etwas zu meckern. Am Schluss jeden Kapitels wird eine neue Frage aufgeworfen, spannt der Autor den Leser auf die Folter. Meist gelingt ihm das. Leider nicht immer. In vielen Fällen benutzt er den Thriller-Zeigefinger: "Und dann erzählt sie die schlimmste Geschichte, die Viktor je in seinem Leben zu hören bekommen sollte", ist eine Behauptung, die leider nicht die Spannung, sondern eher die Lachmuskeln strapaziert. Da scheint der Wunsch, einen Hook zu haben, der zum Umblättern zwingt, zu übermächtig gewesen zu sein. Wohlgemerkt, in den meisten Kapitelenden kann Fitzek durchaus konkret die Spannung steigern. Nur eben nicht in allen. Dabei wären solche plumpen Sätze nicht nötig, die sagen: "Lieber Leser, das wird jetzt ganz, ganz furchtbar". Denn die Kapitel sind aus sich hereaus spannend.

Der Autor hätte da seinem Text durchaus mehr trauen können, trauen sollen. Gleiches gilt auch für ein paar andere Behauptungen in den ersten Kapiteln, die den Verdacht nähren, da versucht jemand Spannungsmängel (die es nicht gibt) mit dem Holzhammer zu bereinigen. Überhaupt scheint das Buch vom Verlag leider etwas lieblos und schnell gemacht zu sein.

Dabei hätte es durchaus das Zeug zu mehr gehabt. Ein wenig mehr Aufmerksamkeit für die Personen, die mehr Persönlichkeit verdient hätten und eine eigene Sprache, Charaktere, der über die Bedürfnisse des Plots hinausgehen, hätten dem Buch gut getan. Wohlgemerkt, "die Therapie" ist spannend, man liest es in einem Rutsch aus. Leider vergisst man es auch gleich wieder. Die Personen bleiben nicht im Gedächtnis. Fitzek ist nicht Stephen King. Noch nicht?

Es ist sein erstes Buch. Und der Erfolg sollte ihm den Freiraum schaffen, auch daran zu arbeiten. Der Autor hat meiner Meinung nach das Talent dazu. Er sollte es nutzen.

Aber genug der Mäkelei. Ein ultraspannender Thriller ist es auch so geworden.

Fazit: Spannender Psychothriller der Extraklasse, leider mit ein paar Mängeln im Figurenaufbau und Abschluss.

Leseprobe
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Über den Autor: Sebastian Fitzek wurde 1971 in Berlin geboren, studierte Jura, promovierte über das Urheberrecht, war bei verschiedenen Radiostationen in der Programmentwicklung tätig und entwickelte für Fernsehsender Shows. Heute lebt er in Parkum. Sagt er wenigstens. Dort erlebte er seinen Thriller als Reality Show. Oder hat er ihn doch einfach erfunden und Parkum dazu?

Die Therapie, Sebastian Fitzek, Psychothriller,Knaur, Juli 2006
ISBN 3-426-63309-4, TB, 336 Seiten, Euro 7,95

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