Speak German! - Warum Deutsch manchmal besser ist. Sachbuch.
Wolf Schneider, Rowohlt, Januar 2008
"Rund 60 Prozent der Deutschen können gar nicht Englisch. Underdog - ist das nicht ein Unterrock? So jedenfalls eine typische Antwort auf eine repräsentative Umfrage. Drop-out? Wahrscheinlich ein Bonbonautomat; das Patchwork aber kann nur eine Fliegenklatsche sein. Von den anderen 40 Prozent bringen es die meisten über ein gestammeltes Schul-, Disco- und Touristen-Englisch nicht hinaus"
Warum all diese englischen Wörter, die human content Wörter, die very important persons, die sich und ihre Bedeutung mit englischen oder pseudoenglischen Fremdwörtern beweisen wollen? Können wir nicht statt Fremdwörtern verständliches Deutsch reden?
Wolf Schneider will das Deutsche beleben und den Deutschen die Anglizismen austreiben. Nicht alle, wohl aber die unnötigen und die lächerlichen.
Seine Attacke gegen die Anglo-Manie beginnt mit einem Aufruf zur Mäßigung und der Sichtung dessen, was Englisch und Deutsch als Sprache für Vorteile haben. Und doch, so folgert er, soll man sie nicht mischen, gerade das Beispiel des Englischen zeige, wie problematisch dies sei. Denn die Mischung aus Französisch und Germanischer Sprache im Englischen habe oft zur Unanschaulichkeit beigetragen. Eine Definition von verschiedenen Sorten von Anglizismen und eine historische Rückschau zur Auseinandersetzung um Fremdworte runden den ersten Teil ab.
Der zweite Teil geißelt die verschiedenen Formen der Anglizismus in Werbung und Technik. Der dritte Teil beschreibt die Lust an der Selbsterniedrigung, dass viele Deutsche die eigene Sprache nicht lieben und selbst dann, wenn sie es nicht oder kaum können, auf Englisch ausweichen. Konferenzen, die nur Englisch sprechen, obwohl nur Deutsche anwesend sind oder Simultandolmetscher zur Verfügung stehen; Fachliteratur, die von Deutschen für Deutsche geschrieben wurde, dennoch aber in Englisch sein muss und manches mehr.
Der vierte Teil ist ein Loblied auf Schneiders eigenen Verein, dem Verein für deutsche Sprache, der jeden Monat einen Vorschlag vorlegt, wie ein Anglizismus durch ein deutsches Wort zu ersetzen sei.
Der Kampf um die Fremdworte in Deutschland ist alt, auch wenn Schneider am Anfang seines Buches das Gegenteil behauptet. Seit vier Jahrhunderten ist umstritten, welche Fremdwörter sinnvoll sind und ob wir nicht überhaupt alle verbannen sollten. Aus dem Vierzylinder Explosionsmotor wollte mancher schon vor achtzig Jahren den Viertopf Zerknall Treibling machen.
Sprache ist lebendig, welche Wörter entstehen, übernommen oder auch wieder schnell vergessen werden, hängt vom Sprachgebrauch ab. Der wiederum lässt sich steuern, durch Beispiele, dadurch, dass Sprachgefühl entwickelt wird. Ob Gesetzgeber und Parlamentarier, die häufig gerade dieses Gefühl vermissen lassen, die richtige Adresse sind, die Sprache zu schützen, das möchte ich allerdings bezweifeln.
Manche Polemik Schneiders nimmt sich sehr seltsam aus, etwa die gegen das Wort "Personalcomputer", da handelt es sich nämlich nicht um eine Übersetzung, wie er fälschlich annimmt, sondern um direkte Übernahme des englischen Fachbegriffs "personal computer". Der Begriff ist übrigens heute kaum mehr gebräuchlich, jeder redet vom "Computer". Doch auch das gefällt Schneider nicht, sondern soll durch "Rechner" ersetzt werden (Seite 82). Seltsam nur, dass der Autor selbst dann auf den folgenden Seiten immer wieder "Computer" schreibt statt den von ihm propagierten Begriff Rechner zu verwenden, zum Beispiel auf Seite 142. Den von ihm verdammten Begriff "Internet" verwendet er fröhlich selber (Seite 88), ebenso findet sich "Personalcomputer" auf Seite 142, obwohl er ihn auf Seite 78 für völlig unsinnig erklärte.
Überhaupt die Technik. Die ist laut Schneiders Buch eine der Hauptursachen für das gehasste Denglisch. Sicher richtig, aber genau hier sind Fachbegriffe, vor allem, wenn sie sich durchgesetzt haben, nötig. Dass es daneben gibt es jede Menge englischer Wortblasen gibt, ändert nichts daran.
So sind die Verbesserungsvorschläge, die uns Schneider vorlegt, oft von gründlicher Unkenntnis der Materie und fehlendem Sprachverständnis geprägt. "Software" ist leider nicht identisch mit "Programm", auch wenn sie aus Programmen besteht. Das Wort "Meer" lässt sich nicht durch "Wassertropfen" ersetzen, auch wenn das Meer aus solchen besteht. "Software" sollte, so ein Vorschlag vor dreißig Jahren, durch "Programmatur" ersetzt werden, doch dieses Wortungetüm hat sich nie durchgesetzt.
Die Liste lässt sich leicht erweitern. Eine "Website" dient dem "Netzauftritt", ist aber nicht das gleiche, "Corporate Identity" hat etwas mit "Unternehmensbild" zu tun, ist aber nicht damit identisch, Flatrate ist fast, aber nicht ganz eine "Pauschale" und warum sollten wir statt "World Wide Web" "Weltnetz" sagen? Für das Ding hat sich längst "Internet" durchgesetzt oder gar kurz und knackig: Bist du im Netz? Manche Probleme erledigen sich auch ohne das Zutun von Sprachwächtern.
Auch seine Polemik gegen das "Mountain Bike" ist durch Unkenntnis geprägt. Das sei nur für Berge geeignet, folgert er aus dem Wort - offensichtlich ist er noch nie mit Gepäck über einen matschigen Waldweg in der Ebene gefahren oder unvermutet über eine Bordsteinkante. Dass er das alte Vorurteil wiederkäut, der Abrollwiderstand sei dreimal so hoch, macht es auch nicht besser. Da hätte sich der Autor besser vorher informieren - oder Radfahren - sollen.
"Mountain Bike" ist überhaupt ein interessanter Begriff. Ursprünglich gab es einen zweiten "All Terrain Bike (ATB)", der besser beschreibt, was gemeint ist, sich aber dennoch nicht durchsetzte. Vermutlich lag's an der Länge des Wortes.
Manche von Schneiders Eindeutschungsversuchen sind sinnvoll, (Junkbonds == Schrottanleihen), viele lassen aber jedes Sprachgefühl vermissen. Prallkissen? Da kriegt man ja Zahnschmerzen, dann doch lieber Airbag. Und Schnellkost statt Fastfood? "Kost" ist leider nicht das gleiche und so werden wir wohl weiter mit dem ungeliebten Fremdwort leben müssen.
Worte haben auch Färbungen. Sie lassen sich nicht einfach durch andere mit scheinbar gleicher Bedeutung ersetzen, auch wenn das manchem Anhänger des "lean Deutschen" so vorkommen mag. Wählen sie das passende Wort, nicht seinen Cousin, mahnte Mark Twain und es ist niederschmetternd zu lesen, wie in dem Buch mit dem Holzhammer alles gleichgebügelt werden soll. Da hätte sich der Autor besser seiner eigenen Worte im ersten Kapitel erinnert: Augenmaß hätte dem Buch sehr, sehr gut getan.
Denn tatsächlich sind viele Anglizismen ein Ärgernis. Nicht die Fachwörter, um die werden wir nicht herumkommen, nicht die Wörter, die Nuancen ausdrücken, für die es fast, aber nicht ganz gleiche deutsche Wörter gibt. Wohl aber all die Wortungetüme, die pompös nichts sagen, all die modischen beautiful speaking People, die nur ihre Einfallslosigkeit kaschieren wollen.
Da wären wir bei einem weiteren Problem des Buches. Für Schneider sind all die Anglizismen Zeichen des Kniefalls der Deutschen, die nicht stolz auf Deutschland sind.
Doch warum steht vor dem Cafe "Coffee to go" statt "Kaffee zum Mitnehmen"? Weil der Besitzer einen Kniefall ausführen wollte? Oder doch nicht eher, weil es schlicht kürzer ist, leichter auf die Tafel passt und schneller gelesen werden kann?
Was ist mit all den Marketing Sprüche, die ach so verliebt ins Denglische sind? Wohl eher Größenwahn als Kniefall dürfte da die Ursache sein. Denn wer nichts Neues anzukündigen hat, aber was sagen muss, was tut der? Richtig, er erfindet ein paar englische Phrasen, die niemand so recht versteht. Wäre all dies besser, wenn die Inhaltsleere auf Deutsch ausgebreitet würde?
Deshalb glaube ich auch nicht, dass das modische Gejammer über Anglizismen irgendetwas daran ändern wird. Die, die jammern sind oft die gleichen, die die Anglizismen einführen. Der Spiegel, der einen umfangreichen Artikel über den Untergang der deutschen Sprache durch Denglisch druckte, ist eines der Haupteinfallstore der Englisch-Manie. Seltsam, dass Schneider in seinem Buch Marketing, Technik und Sport für ihre Anglizismen geißelt, aber Journalisten kein einziges Mal erwähnt.
Wer mit unsinnigen oder falschen deutschen Wörtern als Ersatz für Fremdwörter hausieren geht, wer jedes Sprachgefühl vermissen lässt, tut leider genau das, was er verhindern will. Er verhunzt die Sprache, er zeigt kein Sprachgefühl. Sprache ist etwas, das sich gerade auch durch Beispiele durchsetzt und nicht durch den Ruf nach dem Gesetzgeber, der vorschreibt, dass man in Zukunft nur noch Prallsäcke in den Autos haben darf. Martin Luther hat die deutsche Sprache durch seine beispielhafte Bibelübersetzung geprägt, nicht durch den Zeigefinger eines Oberlehrers. Bastian Sick hat mit "Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod" gezeigt, wie man mit Witz und schlechten Beispielen Sprachgefühl schärfen kann. Firmen bekämpfen mittlerweile mit Bullshit Bingo die Sucht ihrer Mitarbeiter mit pompösen Worthülsen nichts zu sagen. Das bringt mehr für's Sprachgefühl als all die beliebten Jammereien, die immer wieder den Untergang des Deutschen propagieren.
Bemerkenswert ist auch, dass Schneider, der soviel für die deutsche Sprache und deren richtiger Anwendung getan und geschrieben hat, im Mittelteil zeitweilig in einen selten drögen und umständlichen Stil verfällt.
Fazit: Ein Sammelsurium gängiger Klischees und Sprachjammereien, gemischt mit unsinnigen Eindeutschungen, an die sich nicht mal der Autor hält, und durchaus richtigen Beobachtungen, die allerdings in der Regel nicht neu sind.
Speak German - Warum Deutsch manchmal besser ist, Wolf Schneider, Sachbuch, Rowohlt, Januar 2008
ISBN-10: 3498063936, ISBN-13: 978-3498063931, gebunden, 192 Seiten, Euro 14,90
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