Septemberleuchten. Roman.
Martin Gülich, Nagel & Kimche, Juli 2009
»Als man das Krokodil schließlich verlassen habe, sei es 16 Uhr 45 gewesen. Auf der Straße sei die Sprache erneut auf den See gekommen. Schnell habe sich herausgestellt, dass er, Kron, als Einziger ein Auto dabeigehabt habe. Nun habe man sich über den Alkoholisierungsgrad der einzelnen Personen ausgetauscht. Der Mann mit dem Mantel sei als gering alkoholisiert, Vanek und er als fahruntüchtig und Gerland als nüchtern eingestuft worden, eine Einschätzung, der alle zugestimmt hätten.«
Kron ist ein eher schlichtes Gemüt, möchte als Seele von Mensch gelten, ist aber feige. Lieber Täter als Opfer sein, ist sein Wahlspruch, doch den sagt er nicht in dem 122 Seiten langen Protokoll, das er abgibt. Wem, wird nicht gesagt, man darf vermuten: Der Polizei. Und die notiert, was er sagt, in indirekter Rede.
Denn Kron war dabei, als ein Mann in einer Spirale der Gewalt zu Tode kommt.
122 Seiten Protokoll, durchgängig in indirekter Rede geschrieben? Ist das lesbar? Ist das nicht wieder so eine literarische Mode-Spielerei, indirekte Rede ist seit Kehlmann in und sprachliche Mätzchen bei denen, die nichts zu erzählen haben, sowieso?
Doch, es ist lesbar. Weil Martin Gülich die Sprache so perfekt beherrscht, dass sie sich nicht aufdrängt, weil er was zu erzählen hat. Und das gekonnt tut.
Herausgekommen ist eine bedrückende Geschichte, eine, in der auch die Sprache fesselt und der Leser staunt, was man damit alles machen kann. Wenn man es eben kann, wenn es nicht zum Selbstzweck wird, sondern der Geschichte dient.
Sicher kein Buch für jeden, atemlose Spannung oder Action gibt es nicht, dafür eine konsequent entwickelte Geschichte. Kein Sinfonieorchester, sondern kleine Kammermusik, gekonnt vorgespielt.
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